"Endlich Kokain" von Joachim Lottmann

Neues vom Märchenonkel

Über Kokain ist alles gesagt und – von Pitigrilli bis Rainald Goetz, von Sigmund Freud bis Jörg Fauser – vieles geschrieben worden. Und noch hat selbst der schlimmste Absturzbericht auch seinen Reiz gehabt, das Zeug wenn nicht erhöht, dann doch zumindest so interessant erscheinen lassen, dass es als Thema einer Geschichte taugt.

Auftritt Joachim Lottmann und sein neuer Roman „Endlich Kokain“, der tatsächlich so schal und belanglos ist wie die Droge selbst – eine beachtliche Kongruenz von Form und Inhalt. Stephan Braum, ein schlecht gelaunter Fernsehredakteur Mitte 50, erhält die Diagnose, dass er aufgrund seiner Fettleibigkeit nur mehr wenige Jahre zu leben habe. Ein Freund überredet ihn, es mit harten Drogen als Appetithemmer zu versuchen, und so beginnt Braum eine Kokain-Kur. Mit Erfolg: Aus dem soziophoben Loser wird ein begehrter Lebemann. Gut drauf, gut in Form, taucht Braum ein in die Welt des Kokains, was in diesem Buch heißt: die Welt der Kunst.

Lottmanns Masche ist, wie schon in früheren Büchern, die des Schelmenromans: Sein Braum reitet als zugekokster Don Quijote durch die Kunstszene und reibt sich, naiv wie er ist, die rot umränderten Augen. Über die Galerinas: „dünne, ätherisch-schöne Frauen zwischen 25 und 35, leicht verblüht, kunstsinnig und eingebildet, mit einem Hang zum Masochismus und zum Dienen“. Die Galeristen: „Sie waren meist Mitte 40, trugen Anzüge, hatten den stechenden Blick der geborenen Bildmenschen.“ Oder über die „kunsttypische Machtatmosphäre“ im Sarah-Wiener-Restaurant: „Jeder wollte etwas, bastelte an seiner Karriere, checkte seinen Platz in der Hierarchie, wollte in die nächste Gruppenausstellung, wollte gut dastehen, wollte aufsteigen.“ Mehr oder weniger verschlüsselt treten auf: Martin Kippenberger (mit dem Lottmann einst gut befreundet war), Jutta Koether, der Galerist Judy Lybke, Diedrich Diederichsen, Daniel Richter, Kai Diekmann und viele andere. Die Frauen sind borderline und sexsüchtig, die Männer machtgeil und sexsüchtig, allesamt Blender und Spinner in einer hirnlosen, verkommenen Welt. Mit Kunst macht man Geld und geht dafür auch über Leichen.

Lottmann liefert eine krude Groteske des Kunstbetriebs, die Charaktere holzschnittartig, die Dialoge stumpf – Kippenbergers bad painting, übersetzt in bad writing. Kann er oder will er es nicht besser? „Vielleicht war das, in einem höheren Sinn, die einzig wahre Verrücktheit: die Welt und die Menschen so dumm zu sehen und dabei –“, heißt es in der Mitte des Buches. Doch dann bricht der Satz ab. „In dem Moment kamen Besucher ins Zimmer und rissen Braum aus seinen Gedanken.“

Joachim Lottmann „Endlich Kokain“. Kiepenheuer & Witsch, 256 Seiten, 9,99 Euro, ab 10. April