Honecker-Enkel Roberto Yañez

"Man muss sich befreien"

Roberto Yañez, Sie sind der Enkel von Erich und Margot Honecker. Ist dieser biografische Hintergrund der Wahrnehmung Ihrer Kunst förderlich oder belastet er Sie?
Die Kunst ist für mich etwas Organisches, etwas, das passiert. Und ich kann nicht beeinflussen, wie die Leute auf meine Arbeit schauen. Kunst ist so komplex und verzweigt sich auch in Politik und Familiengeschichten. Das sind literarisch interessante Vorgänge, welche die Kunst eher speisen als beschädigen.

Wie viel von Ihrer Biografie findet sich denn in Ihrer Malerei?
Direkt haben sie nichts miteinander zu tun. Aber man ist ja immer jemand. Doch wenn ich etwas Biografisches machen wollte, dann würde ich eine Biografie schreiben.



Aber Ihr Leben ist von der Erfahrung eines Bruchs geprägt: Bis zu Ihrem 15. Lebensjahr waren Sie der Enkel eines Staatschefs, dann zerfiel der Staat. Spiegelt sich diese Erfahrung nicht wieder?

Nein, meine Kunstwerke wurden an einem anderen kulturellen Ort gemacht. Der Zugang zu den Bildern ist vielleicht bestimmt von lateinamerikanischer Lebenskultur und der Landschaft. Ich war nun zum ersten Mal seit 1990 in Berlin und sehr überrascht, wie groß und modern die Stadt ist. In Chile sind die Städte nicht so attraktiv, dafür ist das Land sehr schön. Chile hat 4000 Kilometer Küste. Ich lebe am Meer, also ist auch Meer auf den Bildern. Die Bilder entstehen sehr intuitiv.

Welche Rolle spielt lateinamerikanische Kunst?
Eine sehr große. Dort habe ich dichten gelernt. In Chile gibt es eine reiche Tradition.

Und welche Einflüsse sind in Ihrer Malerei erkennbar? Roberto Matta?
Ein großer Surrealist! Matta könnte ein Einfluss sein, aber auch Victor Brauner. In den 40er-Jahren gab es eine chilenische Surrealistengruppe, die international vernetzt war. René Magritte etwa hat einige Gedichte von Enrique Gomez Correa illustriert. Ich bin Teil einer Surrealisten-Gruppe, die immer wieder als „anachronistisch“ bezeichnet wird. Wir, die sieben Mitglieder, geben seit 1997 eine Zeitschrift heraus und versuchen dem Surrealismus ein neues Gesicht zu geben. Wir bereiten ein neues Manifest vor.

Das traut sich doch kaum ein Künstler heute! Wie sind Sie zu der Gruppe gekommen?
Die in Chile sehr bekannte Schriftstellerin Stella Diaz Varin hat mich und einige Leute immer „Schüler“ genannt. Durch sie haben wir uns alle kennengelernt. Die surrealistische Utopie von André Breton war ja, sich absolut von der Gesellschaft abzuschotten. Und am Ende des zweiten Manifests stand er fast alleine da. Aber wir wollen das erweiterte Umfeld des Surrealismus' anschauen und es nicht nur auf eine bestimmte Ästhetik abgrenzen. Wir sind gut vernetzt: Wir kennen einen surrealistischen Dichter in Afghanistan, die Surrealismus-Hardliner-Gruppe in London, eine Dichtern in der Ukrainerin …

Wie sind bei Ihnen Lyrik und Malerei miteinander verknüpft?
Poesie ist für mich die leitende Wissenschaft, die Vorhut, die etwas vorbereitet, das noch nicht da ist. Dann kommt der ästhetische Genuss der Malerei. Ich jedenfalls male, um es zu genießen. Es mag ja Künstler geben, die sich durchschneiden und das für Kunst halten.

Mit welcher Kunst sind Sie aufgewachsen?
Mit den Kinderfilmen der Defa und Trickfilme aus der Sowjetunion und Korea, die sehr fantasievoll sind. „Der kleine Muck“ hat mir sehr gefallen, „Das kalte Herz“. Und dann bin ich natürlich mit Alexander Wolkow aufgewachsen, „Die Smaragdenstadt“. Das war doch ziemlich surrealistisch: sprechende Vögel, fliegende Häuser. Die Welt ist gespickt mit traumhaften Erzählungen.

Gab es auch Impulse aus dem Haus Ihrer Großeltern? Offizielles Staatsprogramm war der sozialistische Realismus.
Der interessiert mich sehr als Surrrealist. Sozialistischer Realismus ist genauso wie Surrealismus eine Form, Wirklichkeit zu suchen. Wenn Künstler in der DDR verboten wurden, war das nicht gut. Aber Maler wie Willi Sitte waren einfach sehr interessant. Ich glaube, der sozialistische Realismus wird noch einmal an die Oberfläche kommen.

Ist er ja schon: Verwandelt in Surrealismus durch Maler der Neuen Leipziger Schule, wie etwa Neo Rauch. Das müsste doch interessant für Sie sein.
Damit habe ich mich noch nicht so auseinandergesetzt. Aber alle Wandlungen sind per se interessant. Es ist aufregend, zu sehen, in wie vielen Wegen der Mensch sich ausdrücken kann.

Wie steht Ihre Großmutter zu Ihrer Malerei?
Gefällt ihr sehr. Sie kommentiert, wenn ihr etwas farblich zusagt.

Gehen Sie darauf ein?
Ich gehe generell auf alles ein. Man muss sich ein bisschen befreien, aber an Freiheit in der Kunst glaube ich ohnehin nicht.

"Roberto Yañez: Metamorphosen", Galerie Kornfeld, Berlin, bis 15. Februar 2014
Im Insel Verlag erschien die Publikation "Frühlingsregen - Gedichte und Bilder"