Es tut sich was in der Designszene Berlins. Nach Ausstellungen bei den Architekten von Baechlemeid und der Vaust Gallery zum Gallery Weekend, gab es nun weitere Ausstellungen von zeitgenössischem Design. Dazu gehört das Team von Nukleus. Mitte Mai zeigte es drei Tage Kerzenständer, Wandlampen oder Bar Trolleys in Kreuzberg.
Nukleus sind António Bianchi Queirós, Lorenzo Pérez Sánchez, Caspar Fischer und Carlotta Kleine. Die vier haben sich in Mailand kennengelernt, studieren Design, arbeiten als Designer oder im Kunst- und Designhandel. Und sie verbindet eine Idee: Berlin in Sachen Produktdesign wieder relevant zu machen, denn sie glauben, dass es dort an etwas Entscheidendem fehlt: Möglichkeiten zum Zusammenkommen der Szene.
Wer oder was ist Nukleus?
Lorenzo Pérez Sánchez: Uns vier verbindet nicht nur eine Freundschaft, sondern auch die Neugierde und ständige Suche nach Design. Wir haben uns in Mailand kennengelernt, wo wir studiert haben und wo wir viele Möglichkeiten gefunden haben, uns über Design auszutauschen. Klar, dort gibt es die Designweek, viele Unternehmen, Agenturen, Gestalter und Produzenten. Doch Berlin ist überraschenderweise dort nicht so repräsentativ. Wir haben uns irgendwann nachts in einer Bar gefragt: Warum passiert in Berlin so wenig, wenn es um Design geht?
Nun, es gibt eine Designweek. Die fand statt, als Sie Ihre Ausstellung eröffneten …
Caspar Fischer: Aber wir mussten erst mal googeln, wann die Designweek eigentlich ist.
LPS: Und ihr Zeitpunkt ist ziemlich ungünstig, direkt nach Mailand und kurz vor 3 Days of Design in Kopenhagen. Dazu noch im selben Monat wie das Gallery Weekend. Das allein bedeutet nicht nur Aufmerksamkeitskonkurrenz, sondern auch, dass viele Räume nicht zu bekommen sind.
Carlotta Kleine: Dabei hat Berlin wirklich die Möglichkeit und die Szene, eine Bedeutung nicht nur in der Kunst, sondern auch im Design zu bekommen.
Was ist also Ihre Idee?
CF: Zuerst wollten wir eine Ausstellung für unsere Arbeiten machen. Aber es geht bei Nukleus nicht um uns, es geht um die Leute, die wir zusammenbringen. Denn die Kunstszene ist sowohl in der Stadt als auch an den Universitäten sehr viel mehr im Fokus als die Designszene. Die ist aber gar nicht so viel kleiner.
Warum sollte Berlin im zeitgenössischen Design eine Rolle spielen?
António Bianchi Queirós: Natürlich gibt es die Geschichte des Bauhauses, und ein wichtiger Teil der Design-Lehre ist hier entstanden. Ich glaube, um den Menschen die Bedeutung von Design zu vermitteln, muss über den Wert des Designs gesprochen werden. Da gibt es noch viel Potenzial. Es gibt einige Studios in Berlin, viele Studenten, es gibt Arbeiten, die nicht gesehen werden. Wir wollten diese Sichtbarkeit schaffen. Design von Menschen, die nicht nur etwas zeigen, sondern auch etwas zu sagen haben. Ich glaube, das ist Berlin.
CK: Viele Leute, die im Designbereich tätig sind, wissen leider gar nichts von einer Designweek in Berlin. Dabei gibt es immer mehr Menschen, die beklagen, dass es in Mailand beim Fuori-Salone in den letzten Jahren so viel um Marken ging. Immer mehr Brands versuchen, dort Geld zu verdienen und arbeiten dafür mit jungen Designern, die umsonst arbeiten sollen und nicht mal immer genannt werden. Also, es gibt einige, die ein bisschen enttäuscht sind. Und das ist der perfekte Moment, zu sagen, ok, jetzt kommt Berlin. Die Stadt kann vielleicht nicht auf demselben Niveau einsteigen, aber sie kann sich entwickeln.
LPS: Berlin ist so international, es gibt verschiedene Hintergründe, so viele Leute, die etwas im Designbereich machen. Bei unserer Eröffnung waren über 300 Leute, die alle auf eine Art in Produktdesign involviert sind. Das bedeutet, dass es Leute gibt, die ein Netzwerk suchen. Mailand hat viele Unternehmen, Berlin hat mehr Underground.
ABQ: Viele Leute hier aus Berlin haben wir in Mailand kennengelernt. Die Berliner Designszene fliegt im April nach Mailand, um Leute zu treffen. Ich denke, das spricht für sich. Wenn Berlin mal etwas Wichtiges im Design war, dann wollen wir da wieder hin. Und mit Nukleus möchten wir etwas mehr als eine Berlin Designweek. Wir wollen etwas Kontinuierliches. Diese Stadt haben doch einige noch als Hauptstadt für Kultur und Kreativität in Erinnerung.
LPS: Wir wollen eine Szene und eine Gemeinschaft kreieren. Und wir wollen nicht einmal pro Jahr ein Event feiern.
Wie war die Idee für die erste Ausstellung im Somos Space am Kottbusser Damm in Kreuzberg?
CF: Der Open Call lief schon, als wir uns dann entschlossen haben, unser erstes Event bei Somos zu veranstalten. Wir haben uns auch davor schon Gedanken gemacht, wer ausstellen könnte. Und um die Designszene in Berlin zusammenzubringen, war für uns natürlich klar, dass wir auch etablierte Designer und Designstudios wie 1x1 Systems aus Berlin angefragt haben.
ABQ: Zum Salone in Mailand haben wir vielen von Nukleus erzählt und bekamen so Bewerbungen aus ganz Europa, China, Japan und Amerika. Die Idee bei der Auswahl war, dass nicht nur das Objekt, sondern auch der Mensch dahinter im Fokus steht. Und wir wollten ein bisschen von dem, was in Mailand gut funktioniert, herbringen: Einen guten Raum, Musik, Essen.
CF: Es gab zwei Eröffnungen an dem Tag, viele Besucher waren vorher oder nachher bei der Hocker-Ausstellung von Barkow Leibinger. Das war schon fast wie in Mailand.
ABQ: Und die Ankerklause könnte doch die Bar Basso von Berlin werden. Der Ort, wo die Designer nach den Ausstellungen zusammenkommen.
LPS: Für mich ist das Wunderschöne an der Bar Basso, dass du dort Design-Ikonen triffst und Studenten. Und das haben wir schon geschafft.
Gibt es eigentlich einen erkennbaren Berlin-Stil?
CF: Berlin ist farbig. Denken wir an Studio Werner Aisslinger oder das neue Projekt von Konstantin Grcic, 25 Kilo, mit den neongelben Abschlüssen an den Sitzen. Oder die Sofas von Objekte unserer Tage. Das ist alles funky farbig. Aber dann gibt es auch die Metall-Arbeiten von Sam Chermayeff oder ErtlundZull. Berlin vereint Trends aus verschiedenen Städten, aber vielleicht ist es jetzt auch Zeit, eigene Trends zu kreieren. Denn diese Studios sind erfolgreich, können Entscheidungen treffen. Sie müssen nicht Mailand oder London gefallen. Sie müssen nur tun, was sie tun.
LPS: Wir versuchen nicht, eine Art Trend oder Stil für Berlin zu entwickeln. Wir wollen die Menschen dazu bringen, über Design zu reden, indem wir Kontraste setzen.
ABQ: Das richtige Design gibt es nicht. Es gibt nicht die eine klare Art zu gestalten. Wir kommen vom Studium in Mailand, dort wird eine emotionalere Designsprache gelehrt, es geht mehr um Form. Deutschland ist viel rationaler, da geht es mehr um Funktion. Und wenn man beide Arten in einen Raum bringt, gibt es bereits einen Startpunkt für Gespräche. Das ist das Ziel.
Man hört in der Berliner Designszene gerade von mehreren Versuchen und Gesprächen, Ausstellungen zu planen, die das Potenzial der Stadt widerspiegeln. Was braucht es noch dafür?
LPS: Finanzielle Förderungen auf jeden Fall.