Der Begriff hatte nichts von Verzicht. Erinnerungen an sogenannte Ökohäuser der 1980er- und 90er-Jahre: Vielleicht ein wenig verquere, aber durchaus aufregende Ideen fanden sich darin; verspielt waren einige, die Postmoderne und dann wieder 90er-Jahre-Moderne schlug sich auch in der umweltbewussten Architektur nieder. Und ihre Erbauerinnen und Erbauer machten sich zunutze, was ohnehin vorhanden war oder rasch entstehen konnte. Also Regenwasser zum Beispiel, natürliches Sonnenlicht, Pflanzenbewuchs.
Ebensolche Lowtech-Qualitäten sind inzwischen beinahe standardmäßig gefragt, wenn es um Ausschreibungen und Wettbewerbe geht. Nicht allein ob der sich zuspitzenden Klimabedingungen, denen Gebäude und ihre Bewohner heute ausgesetzt sind, sondern auch in Zeiten steigender Baukosten. Ein schmaler, aber gehaltvoller Band schaut nach Vorbildern: "Ästhetik der Technik" analysiert drei Ökohäuser der 1970er- bis 1990er-Jahre, über die bisher wenig veröffentlicht wurde.
Schon die Namen der vorgestellten Bauten zeugen von einem Architekturverständnis, das die Einbindung natürlicher Ressourcen nicht als Beschränkung, sondern als ein Aus-dem-vollen-Schöpfen begreift. Wie das Solarhaus von Rolf Schoch in Zollikofen, das Lufthaus IBZ Berlin von Otto Steidle oder das fabelhafte Baumhaus von Ot Hoffmann, das zwischen 1968 und 1972 in Darmstadt gebaut wurde und seit 2017 unter Denkmalschutz steht.
Bestechend klarer Blick auf die Dinge
Unten befindet sich bis heute die Kunstgalerie Netuschil, darüber auf mehreren Terrassen viel Grün, das zur Hochsaison dschungelartig in den Stadtraum hineinwächst: Wilder Wein und Kugelahorn, Espe, Eibe, Ulme, Birke, Holunder, Feuerdorn, Essigbaum, Mirabelle und Mohnblume zum Beispiel, oder Tomate, Efeu, Sumpfgras, Schilf.
Ganze 35 Arten notiert die illustrierte Liste im Buch, die sich allein dem Pflanzenwuchs im Baumhaus widmet. Möglich dank einer ausgeklügelten, nichtsdestotrotz vergleichsweise bescheidenen Technik, die Regenfälle speichert und über einen Lauf auf alle Etagen des Terrassenhauses bringt. Im Sommer kühlt das verdunstende Wasser mit dem städtischen Grün die Umgebung. Es ist längst nicht die einzige Innovation, mit der das Darmstädter Baumhaus aufwartet.
Bei alldem war sein Erbauer Ot Hoffmann (1930–2017) kein Naturromantiker, sondern zeigte einen bestechend klaren Blick auf die Dinge. Immerhin hatte er sein Familienhaus im Grünen aufgegeben, um die Natur in die Stadt zu bringen. "Green ist beautiful – aber nur, wenn das Grün auch sinnvoll ist, nicht zum Garnieren von trostlosen Fassaden herabgewürdigt wird", zitieren die Autorinnen den Architekten. Und es macht durchaus Mühe.
Teil des gebauten und wachsenden Mikrokosmos
Die Fürsorge ist notwendig, um Pflanzen und technische Ausstattung am Laufen zu halten. Menschliche Bewohnerinnen und Bewohner sind zwangsläufig Teil des gebauten und wachsenden Mikrokosmos – was sicher einen guten Teil seines Charmes ausmacht. Und dann wieder beispielhaft für einen größeren Blick, den der Stadtumgebung oder "Stadtnatur" (Hoffmann), sein kann.
Das Experiment stand bei allen drei hier vorgestellten Ökohäusern im Vordergrund: Vom Baumhaus über das hoch energieeffiziente Solarhaus, quasi ein Wohnhaus gewordener Sonnenkollektor, bis zum Lufthaus IBZ, bei dem das namengebende Prinzip städtebaulich, sozial und gebäudetechnisch durchgezogen wird.
An manchen Konstruktionen nagt der Zahn der Zeit, oder sie zeigen in der jahrzehntelangen Wohnpraxis erst ihre Macken. Auch die Fehler oder Schwachstellen gehören deshalb zur architektonischen Analyse. "Ästhetik der Technik" ist Fachlektüre, die Architektinnen und Architekten Gebäudetechnik als Teil ihres Gesamtkonzepts anschaulich machen will. Aber sie lohnt sich auch ohne einschlägig berufliches Interesse. Allein der bestechenden Überlegungen wegen, die hier Architektur geworden sind, und die so schön zwischen Utopie und Pragmatismus changieren.