Ausstellung "Opera Opera"

Wovon die Kunst ein Lied singen kann

Das Berliner Palais Populaire zeigt die Oper aus Sicht der bildenden Kunst. Dort spielen sich große Dramen ab, doch der Optimismus lässt sich nicht von der Bühne verdrängen

Wann und wie wurde die Musik erfunden? Fing es mit einem Knochen an, mit dem auf einem Stein herumgetrommelt wurde – oder mit dem Pfeifen? Liliana Moros Klanginstallation "Fischio 3" jedenfalls ist ein Werk in der Ausstellung "Opera Opera" im Berliner Palais Populaire, das nachwirkt. Man fühlt sich instinktiv angesprochen, oder: angepfiffen. Verschiedene mundgemachte Pfeifstrophen hallen durch das Treppenhaus des Prinzessinnenpalais in Mitte, darunter auch die berühmten zwei Noten, mit denen der Pfeifer oder (seltener) die Pfeiferin einer Person Attraktivität attestiert – nennen wir’s "Steiler Zahn"-Strophe.

Mit Tönen zu kommunizieren, kann so einfach sein. Alles andere als leicht macht es sich dagegen die Oper, jene um 1600 entstandene Theatergattung, das Publikum zu erreichen. Manchmal klappt das nicht, sei es, dass das Bühnenbild doof ist oder die Primadonna erkältet – dann wird im Opernhaus gepfiffen.

Moros Soundpiece, das wie die meisten anderen Werke der Ausstellung aus der Sammlung des Maxxi des römischen Nationalmuseums der Künste des 21. Jahrhunderts stammt, lässt sich also in mehrfacher Hinsicht auf dieses spezielle Musiktheater, das laut dem Schriftsteller Oskar Bie "unmögliche Kunstwerk", beziehen.

Verbindungen von Tragödie und Komödie

Der Untertitel der Schau, deren etwa 30 Positionen sich zum Teil auf Repertoire-Klassiker wie "Turandot" oder "Die Zauberflöte" beziehen, lautet "Allegro ma non troppo". Die Vortragsbezeichnung "schnell, aber nicht zu schnell" verweist laut dem Kurator Bartolomeo Pietromarchi auf die Verbindungen von Tragödie und Komödie – die Beschwernisse der Gegenwart bremsen unseren Zukunftsoptimismus aus, der sich aber doch nicht gänzlich auslöschen lässt. "Allegro" lässt sich auch mit "beschwingt" übersetzen.

Mit einer düsteren Ausstellung haben wir es also nicht zu tun. Verschwenderische Opulenz – was der Oper oft nachgesagt wird – findet aber auch nicht statt, bestimmend sind eher die klaren, knappen Setzungen aus dem Geist des Minimalismus. "THE MISSING POEM IS THE POEM" schreibt Maurizio Nannucci in Neonbuchstaben an die Wand (die gleichnamige Installation stammt von 1969) und preist damit die Leere und das Unsichtbare.

Die immersive Sound- und Lichtinstallation "Sublimated Music" von Philippe Rahm besteht aus einer Vielzahl von Lautsprechern, die je eine Klaviernote des Stücks "Cloches à Travers" von Claude Debussy spielen. Die Komposition wird aus den Angeln gehoben, ebenso wie die in Grundfarben leuchtenden Leuchtstoffröhren im Raum zusammen weißes Licht ergeben würden.

Oper kann zeitbedingt sehr rassistisch sein

Mitunter ist der Zusammenhang zur Musik nur sehr bedingt gegeben – wie im Fall von Kara Walkers Wandarbeit von 2002, die durch einen Overheadprojektor ergänzt wird. Zu sehen sind die Silhouetten zweier versklavter Frauen, an die Glöckchen gebunden sind, was die Assoziation mit Weidevieh zwangsläufig macht. Was haben die furchtbaren Bedingungen auf Baumwollplantagen, ein zentrales Thema der kalifornischen Künstlerin, mit Oper zu tun? Gar nichts.

"Opera" kann aber auch "arbeiten" bedeuten. Und wenn man im übernächsten Raum William Kentridges Arbeit "Preparing the Flute" (2005) – ein Modell seiner Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" im Brüsseler Opernhaus La Monnaie plus Animationsvideo – wiederentdeckt, wird man darauf gestoßen, dass (nicht nur Mozarts) Opern zeitbedingt oft sehr rassistisch sind: In der "Zauberflöte" ist es der "Mohr" Monostatos, der die weiße, gutherzige Pamina rauben will.

Monica Bonvicini nimmt die sich opfernden Frauen der Oper aufs Korn. Ihre Installation "3rd Act / Never Die for Love" bezieht sich auf den dritten Aufzug der Puccini-Oper "Turandot", in der die (neben der frigiden Prinzessin und Titelfigur) zweite Frauengestalt kontrastierend zum Bonvicini-Titel tatsächlich "für Liebe stirbt", indem sie sich für den Helden Calaf, der Turandot verfallen ist, zu Tode foltern lässt.

Die Nähe von Erfolg und Scheitern

Ebenso ist die Titelheldin, die ihre Freier in Serie köpfen lässt und sich am Schluss doch Calaf hingibt, eine männliche Projektion. Bonvicini überschreibt die entsprechenden Partiturseiten mit feministischen Kommentaren zum "Turandot"-Gehalt, etwa: "Women who claim to hate men really do not love them". Außerdem zeigt sie mit zwei fahrbaren, neonbeleuchteten Folterkäfigen zwei Relikte ihrer "Turandot"-Inszenierung, die 2019 am La Fenice in Venedig Premiere feiern sollte, aber nie über die Bühne ging.

Wahrscheinlich kommen sich Erfolg und Scheitern nirgendwo so nahe wie in der real existierenden Oper. Bonvicini könnte ebenso ein Lied davon singen wie Jonathan Meese, dessen "Parsifal"-Projekt vor acht Jahren von den Bayreuther Festspielgen gecancelt wurde.

In der bildenden Kunst dagegen kann der Crash immer noch als prozessual "gewollt" umgedeutet werden, siehe Ai Weiweis "Template"-Türenturm auf der Documenta von 2007, der vom Sturm zerstört und vom Künstler postwendend für "noch wertvoller" erklärt wurde.

Gerührt, aber keine besseren Menschen

Auf andere Weise setzt sich das Künstlerduo Vedovamazzei mit den Stürmen und den Sonnenseiten des Lebens auseinander. Ihre Installation "Climbing" im Treppenhaus des rekonstruierten Rokoko-Prinzessinnenpalais repräsentiert einerseits die glamouröse Welt der Oper und des Theaters, denn sie besteht aus einem Kronleuchter, der – das fällt erst auf den zweiten Blick auf – aus goldgefärbten Eisengittern gefügt ist.

Vom oberen Teil der Treppe aus ist zu erkennen, dass sich obendrauf ein Schlafsack, ein Karton und eine Nachttischlampe befinden – wie das Nachtlager eines/einer Obdachlosen. Eine Strickleiter macht diese Bettstatt vom Parterre aus tatsächlich begehbar. Und doch – wie meistens in der Kunst – bleibt das Werk in der Beschreibung sozialer Abgründe stehen. Denn es ist unwahrscheinlich, dass das Palais Populaire seine Pforten für Hilfsbedürftige öffnet. Die Frage, inwieweit Kunst politisch wirksam sein kann, gibt die Ausstellung "Opera Opera" keine Antwort. Es ist wie in der Oper. Wir sind gerührt, vielleicht sogar betroffen, was uns jetzt nicht unbedingt zu besseren Menschen macht.