Otobong Nkanga in Berlin

Kein fester Boden unter den Füßen

Auf poetische Weise arbeitet sich die Künstlerin Otobong Nkanga an der weltweiten Zirkulation von Rohstoffen und der Ausbeutung des Bodens ab. Mit ihrer Ausstellung im Berliner Gropius Bau zieht sie dem Publikum den Grund unter den Füßen weg  

Der afrikanische Kontinent ist der rohstoffreichste Erdteil – und wird bis heute geplündert, um den Westen mit Erzen, Aluminium, Erdöl und anderen kostbaren Ressourcen zu versorgen. In ihrer Schau "There’s No Such Thing as Solid Ground" arbeitet sich die nigerianische Künstlerin Otobong Nkanga mit von Poesie durchsetzten alchemistischen Installationen und Skulpturen verschiedenster Aggregatzustände an der hochmetaphorischen Thematik des ausgebeuteten Grunds ab. Besucher und Besucherinnen der Schau betreten zunächst einen Meditationsgarten, der mit seinen weißen Kalkkieseln an jene monotonen Spießbürger-Vorgärten erinnert, die aufgrund ihrer Ausbremsung der Biodiversität bereits in mehreren deutschen Kommunen verboten wurden.

Leben, das hier gedeihen will, muss resilient sein – wie die wurzellosen Gewächse, die zwischen den Steinen hervorsprießen, oder die von Westindien nach Südasien eingebürgerten Nachtjasmine, die Performerinnen über eine topografische Bodenzeichnung tragen (wegen der Corona-Auflagen ist die Performance zeitweise ausgesetzt und man sieht nur die Pflanzentöpfe auf einem an topografische Karten erinnernden Bodenmuster).

In Nkangas kleinformatigen Zeichnungen und Malereien, denen ein eigener Raum gewidmet ist, geht es um Fruchtbarkeit und Begehren: Ein Tropfen aus einer reich verzierten Pipette schwebt über einem schmalen Fluss inmitten einer dürren Wüstenlandschaft, schwarze und weiße Körper umschlingen sich im Wasser. Nebenan eine Soundinstallation bei gedimmtem Licht: Nkanga lässt die Rohstoffe flüstern, singen, klagen – so eindringlich, dass man die Botschaft auch ohne Übersetzung versteht.

Die Künstlerin, die 2017 bei der Documenta kalt gepresste Holzkohleseife verkaufte, zieht den Besucherinnen und Besuchern den Grund unter den Füßen weg, konfrontiert sie mit der Historie der Materialien, die sie tagtäglich umgeben. Zugleich sucht sie aber auch nach Formen der Heilung: Im Erdgeschoss des Gropius Baus hat die durch den Verkauf der Seifen finanzierte "Carved to Flow"-Stiftung Platz gefunden, die sich der Archivierung und der Vermittlung lokalen Wissens verschrieben hat.