Studiobesuch bei Philipp Fürhofer

Maschinist der Illusionen

Philipp Fürhofer erschafft Bilder für Museen und große Opernaufführungen - er kennt also die verschiedenen Bühnen der Kunstwelt. Sein kreatives Zentrum ist sein Atelier in Berlin-Moabit. Ein Besuch vor seiner Schau zur Art Week 

Das Thermometer ist Mitte August auf knapp 33 Grad geklettert. Wer die Hitze nicht mag, zieht die Rollläden herunter und bleibt im Homeoffice. Oder besucht Philipp Fürhofer in seinem Atelier in Berlin-Moabit, da ist es herrlich kühl. Noch etwas, was der Künstler und sein Besucher gemeinsam haben. Sie mögen gemäßigte Temperaturen. Vor allem aber teilen sie die Liebe zur Malerei und die Opernleidenschaft.

Fürhofer, geboren 1982 in Augsburg, hat beide Welten zum Beruf gemacht. Wobei, eigentlich sind es zwei Jobs. Er ist freier und angewandter Künstler in Personalunion. Seine Art, Bilder zu malen, schließt ungewöhnliche Techniken ein. Für den internationalen Opernbetrieb baut er Räume für große Stimmen und dramatische Stimmungen.

Hinter einer schmalen Ladenfront staffelt sich eine lange Raumfolge in die Tiefe. Die Atelierdecke ist sehr hoch – daher das angenehme Raumklima. An den Wänden hängen Fürhofers Bildwerke für die kommende Soloschau in der Galerie Judin, die am 11. September zur Berlin Art Week eröffnet. Zu sehen sind viel Hinterglasmalerei und einige der beleuchteten Acryglas-Kästen, eine Spezialität des Künstlers. Das Themenfeld: Landschaft, Vegetation, sogenannte Natur. "Bis auf Kleinigkeiten ist alles fertig", sagt Fürhofer. Wie immer ist er gut vorbereitet. Er ist nicht der Typ, der auf den letzten Drücker liefert.

"Mich hat immer gestört, wenn der Tenor in Farbtöpfen rührt"

Das Theater tickt aber anders. Philipp Fürhofer, der Bühnenbildner, hat viel Erfahrung mit Regisseuren, die ihre Konzepte kurz vor der Premiere umwerfen. Dann braucht es Flexibilität und vor allem starke Nerven. Durch Hans Neuenfels ist er zur Oper gekommen, hat mit Regie-Größen wie Stefan Herheim oder Christoph Loy gearbeitet. Nicht immer lief das so reibungslos wie mit Kaspar Holten, mit dem Fürhofer Puccinis "Tosca" auf die Bühne des Königlichen Theaters in Kopenhagen bringt. Premiere ist am 31. August. 

Auch solche Projekte nehmen ihren Anfang im Studio in der Kaiserin-Augusta-Allee. Toscas Geliebter Mario ist übrigens Kirchenmaler. "Mich hat immer gestört, wenn der Tenor in Farbtöpfen rührt", sagt Fürhofer. Er zeigt auf ein Modell des ersten Aktes der "Tosca", für den er ein riesiges halbtransparentes Madonnenbild entworfen hat, in dem Mario, der Künstler, erscheint.

Man malt sich schließlich immer auch selbst. Fürhofers Lichtkästen, die er "Illusionsmaschinen" nennt, lassen sich einerseits als Miniaturbühnen beschreiben, haben ihren Ursprung also gewiss in seiner Theaterarbeit. Die Kuben, in denen das Licht im Atemrhythmus aufleuchtet und wieder verlischt, lassen aber auch an Krankenhaus-Inventar und medizinische Diagnostik denken.

"Wie Mikroplastik im Kopf"

Vor etwa 20 Jahren wurde bei ihm eine lebensbedrohliche Herzerkrankung diagnostiziert. Die rettende Operation – Fürhofer wurde eine neue Herzklappe eingesetzt – war eine tiefgreifende Erfahrung, die auch seine Kunst geprägt hat. Das einstige Faible für romantische Landschaften wich einer intensiven Auseinandersetzung mit dem (eigenen) Körper und dessen Zerbrechlichkeit.

Hin und wieder erscheinen noch Skelett-Fragmente und andere Spuren dieser Memento-Mori-Phase in den neuen Werken. Die Referenz auf den menschlichen Körper ist nun aber deutlich zurückgefahren. Fürhofer nimmt die Natur in den Fokus – eine Natur, die wiederum der Mensch konstruiert. 

Um diese "künstliche Natürlichkeit" zu betonen, streut der Künstler immer wieder Begriffe oder Logos ein. Im Lichtwechsel taucht der Zivilisationsmüll auf und wieder ab. Vom Nike-Logo bis zu Wortködern wie "sexy, love, f*uck" handelt es sich um Zeichen, die laut Fürhofer "wie Mikroplastik im Kopf" sind, "sie bleiben im Gehirn stecken".

Zwielichtig, giftig, zerkratzt

Unsere Naturfantasien blühen auf dem Humus, dem Dreck der Zivilisation. "Phantominseln" war der Titel von Fürhofers Soloschau vor zwei Jahren im Frankfurter Städel Museum. Zentrales Element war ein riesiger Vorhang aus PVC-Bahnen, die man in kleinerem Maßstab aus Kühlkammern kennt. Darauf hatte Fürhofer einen kitschigen Palmenwald gemalt. Auf der Rückseite prangten Werbeslogans wie "Forever Young" oder "Stay Sexy" – lesbar durch das Zusammenspiel der Installation mit einer In-situ-Spiegelarbeit von John Armleder. Für die kommende Gruppenschau "Utopia" im Kunstmuseum Wolfsburg (ab 27. September) wird Fürhofer auf dieses Konzept zurückgreifen, das von einem Grundwiderspruch erzählt: Wir wollen zurück zur Natur. Und wir streben nach Selbstoptimierung.

Unsere Welt sieht zunehmend nach Dystopie aus – und das zeigt sich auch in Fürhofers Atelier, denn seine Bilder sind nicht im konventionellen Sinn schön. Zwielichtig, giftig, zerkratzt wirken seine Eislandschaften, Wälder, Gebirgsschluchten – dazu kontaminiert von Worthülsen, Sprach- und Zeichenmüll. "Idyll and Apocalypse", ein treffender Titel für die Ausstellung bei Judin.

Aber das Atelier ist zum Glück nicht die Welt – sondern ein Rückzugsort. "Malen ist für mich eine Art des Nachdenkens", sagt Philipp Fürhofer. "Ich verbringe nirgendwo mehr Zeit als im Atelier. Sich dort mit sich selbst zu beschäftigen, an Ideen und Bildern zu arbeiten, ist für mich die größte Freiheit, die ich mir denken kann." Angenehm ist es hier allemal. Leider müssen wir wieder raus ins subtropische, chaotische Berlin.