Philippe Pirotte über seinen Rücktritt als Städelschul-Rektor

"Ich möchte mich mehr mit Inhalten beschäftigen"

Der belgische Kunsthistoriker und Kurator Philippe Pirotte
Foto: Diana Pfammatter

Der belgische Kunsthistoriker und Kurator Philippe Pirotte

Philippe Pirotte legt im kommenden Jahr sein Amt als Rektor der Frankfurter Städelschule nieder. Über die Gründe spricht er im Monopol-Interview

Herr Pirotte, die Städelschule, deren Rektor Sie sind, ist in der Kunst eine der bekanntesten und erfolgreichsten Hochschulen weltweit. Warum gehen Sie?

Im März 2020 bin ich sechs Jahre lang Direktor, das ist eine gute Zeit. Die Kunsthalle Bern habe ich auch so lange gemacht, bevor ich an die Städelschule kam. Jetzt wechsele ich aber nirgendwo anders hin.

Was haben Sie vor?

Ich möchte mich mehr mit Inhalten beschäftigen. Hier habe ich zwar eine wunderbare Fakultät mit tollen Studenten, aber man ist doch eher Moderator. Ich möchte mich mehr mit eigenen Projekten auseinandersetzen, mehr Zeit für die Kinder haben und meine Partnerin mehr unterstützen, die jahrelang die Verantwortlichkeit für die Kinder meistens auf sich genommen hat.

Absolventen der Städelschule sind in der internationalen Kunstwelt überall präsent, auf Biennalen, auf der Documenta, bei wichtigen Kunstpreisen. Wie erklären Sie sich den Erfolg?

Ich glaube, wir wählen sie sehr gut aus. Wir bekommen jährlich an die 700 Bewerbungen, von denen werden 25 bis 30 aufgenommen. Daran ändern wir auch nichts, schon aus Platzgründen. Denn es ist von Vorteil, dass die Schule klein ist. Wir denken nicht in Wachstum oder Quantität. Es ist nicht umsetzbar in Zahlen. Das ist wichtig.

Erzeugt der Ruhm auch Nachteile?

Ich sehe den Hype um die Schule zwiespältig, denn manchmal wird es aufgrund dieser Erfolgsgeschichten missverstanden als Hub zum Erfolg, dann kommen die Leute nur für zwei Jahre. Aber wir sind kein Post-Graduate. Wir wollen Leute, die hier vier oder fünf Jahre studieren.

Was waren die einschneidenden Ereignisse in Ihrer Zeit als Rektor?

Etwas nicht Sichtbares, aber dennoch eine große Sache war, dass die Trägerschaft der Hochschule letztes Jahr gewechselt hat. Die Städelschule war immer eine staatliche Hochschule, aber aus historischen Gründen bezahlt von der Stadt Frankfurt. Jetzt ist das Land Hessen unser Träger, aber wir haben Gremienfreiheit und sind Arbeitgeber. Das ist ein großer Unterschied zu anderen Hochschulen. Das administrativ umzusetzen mit unserem kleinen Team, und vor der Umwandlung alle bestehenden Verträge auf Fairness zu prüfen, waren wichtige Maßnahmen.

Und was haben Sie inhaltlich durchgesetzt, was Ihnen wichtig war?

Die Schule auf einen internationalistischen Weg zu bringen. Ich glaube, die Kunstwelt ist heute nicht mehr zwischen Berlin, London, New York und Los Angeles unterwegs, es gibt sehr viele Standorte außerhalb dieser Achsen, die uns stark beeinflussen. Ich wollte die Fakultät öffnen für nicht-westliche Positionen. Das sieht man auch am Programm des Portikus.

Wer sucht Ihre Nachfolge aus?

Unser Konvent, der besteht aus Professoren, Studenten und Mittelbau-Mitarbeitern. Den Vorsitz hat aktuell der Künstler und Städel-Professor Willem De Rooij. Es ist niemand von außen dabei.

Was ist dran, dass die Städelschule zwar weltberühmt ist, aber in Frankfurt kaum einer sie kennt?

Das war vielleicht mal so, aber das halte ich für einen Mythos. Wir haben starken Rückhalt, einen großen Freundeskreis. Wir bekommen Anfragen von Banken, die etwas in ihren Räumlichkeiten mit uns machen wollen, und das kulturelle Leben in der Stadt ist stark geprägt durch Städel-Absolventen. Ich glaube die Städelschule ist umarmt von Frankfurt und der Bevölkerung.

Bleiben Sie in der Stadt?

Bis zum Sommer auf jeden Fall. Ich bleibe der Städelschule aber ohnehin verbunden, weil ich mit Daniel Birnbaum zusammen dort die Curatorial Studies weiter entwickeln will.

Können Sie schon etwas über Ihre kommenden kuratorischen Projekte verraten?

Ich arbeite im Moment für das University of California Berkeley Art Museum an einem Projekt. Es geht um die Kunst der 50er-Jahre und die Wechselwirkungen zwischen den asiatischen und afrikanischen Staaten der Bandung-Konferenz, auch in Verbindung zur afroamerikanischen Politik und Kultur. Und mein Projekt, das ich mit Ute Meta Bauer am CCA in Singapur gemacht habe, bekommt auch noch weitere Stationen. Das alles braucht ein bisschen mehr Seelenruhe im Kopf.