Flughafen Tempelhof

Die Berliner Baustelle

Plakat am U-Bahnhof Kochstraße in Berlin: Zitat: “Moritz hat gesagt, dass das hier Ein 1A‐Nazi­‐Bau ist. Eckhart hat gesagt, dass der Bau noch steht, weil nur Feuer­‐Bomben fielen und Beton nicht brennt. Jetzt frage ich mich, ob ich noch frei über diesen Ort denken kann” – Gast bei "Das Mahl", 14. September 2019 im Hangar 7, Teil des Projektes Tempelhofer Wald
Foto: Courtesy MicaMoca

Plakat am U-Bahnhof Kochstraße in Berlin: Zitat: “Moritz hat gesagt, dass das hier Ein 1A‐Nazi­‐Bau ist. Eckhart hat gesagt, dass der Bau noch steht, weil nur Feuer­‐Bomben fielen und Beton nicht brennt. Jetzt frage ich mich, ob ich noch frei über diesen Ort denken kann” – Gast bei "Das Mahl", 14. September 2019 im Hangar 7, Teil des Projektes Tempelhofer Wald

Die Zukunft des ehemaligen Flughafens Tempelhof ist eine der großen ungelösten Fragen Berlins. Eine Kunstaktion im öffentlichen Raum verbindet nun historische Fotos mit aktuellen Wünschen von Berlinern

Nein, diesmal geht es nicht um den Berliner Flughafen, der vielleicht irgendwann fertig wird, und der längst zum Synonym für das ökonomische Scheitern der Hauptstadt oder gleich fürs ganze marode Bauwesen der Bundesrepublik geworden ist. Diesmal geht es um die Frage was mit einem schon existenten, historisch äußerst ambivalenten Architekturensemble passieren soll: dem Flughafen Tempelhof.

Der monumentale, während der NS-Zeit geplante Gebäudekomplex liegt nach Ansicht des Berliner Kunstkollektivs Mica Moca "ohne Vision in der Mitte der Stadt". Während aus dem ehemaligen Flugfeld - maßgeblich durch den politischen Gestaltungswillen der Bürgerinnen und Bürger - eine der größten öffentlichen Freiflächen und Verwirklichungsorte Berlins geworden ist, ist für die Hangars, den Vorplatz und die Abflughalle bisher kein stringentes Konzept in Sicht. In den Räumen, die mit 200.000 vermietbaren Quadratmetern zu den größten Gebäuden der Welt zählen, finden Messen (bis vor kurzem die Art Berlin), Festivals und Autorennen statt, die Polizei hat genauso Räume gemietet wie eine Tanzschule, zwischenzeitlich lebten dort Geflüchtete in einer Sammelunterkunft. 

Der Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD) bezeichnet den Flughafen Tempelhof, der Ende der 30er-Jahre nach Entwürfen des Architekten Ernst Sagebiel für das deutsche NS-Regime gebaut und nach dem Krieg fertig gestellt wurde, als "Riesenschatz" in zentraler Lage. Immer wieder geistern Ideen für die Fläche durch Politik- und Kunstszene: Vom Kunst- und Kulturkomplex bis zum eigenen Berliner Stadtteil.  

Ein Dinner der Wünsche im Flughafen

Auch Mica Moca haben sich mit dem Projekt "Tempelhofer Wald" in die Debatte eingeschaltet. Zusammen mit anderen Künstlern, Urbanisten und Aktivisten organiserte das Kollektiv im Sommer diesen Jahres Exkursionen, Diskussionen und Vorträge zum Thema "Alte Räume, Neuer Inhalt". Abschluss des Festivals war das Riesen-Abendessen "Das Mahl" am 14. September, zu dem 1000 Berlinerinnen und Berliner im Hangar 7 zusammenkamen. Während des gemeinschaftlichen Essens waren die Gäste auch dazu eingeladen, Wünsche für die Zukunft des Ex-Flughafens zu hinterlassen. 

Einige Zitate hängen nun als Plakate zusammen mit historischen und aktuellen Tempelhof-Fotos im Berliner Stadtraum. "Der Hangar 7 und die anderen sechs sollten die Chance bekommen, zurückerobert zu werden", steht am U-Bahnhof Kochstraße in Berlin Mitte. Am selben Ort eine Reflexion über die Vergangenheit des Gebäudes: "Moritz hat gesagt, dass das hier ein 1A‐Nazi­‐Bau ist. Eckhart hat gesagt, dass der Bau noch steht, weil nur Feuer­‐Bomben fielen und Beton nicht brennt. Jetzt frage ich mich, ob ich noch frei über diesen Ort denken kann.” Am U-Bahnhof Gleisdreieck die Forderung: "Mutter aller leerstehenden Gebäude: Öffne dich für die Öffentlichkeit!" 

Von der Luftbrücke bis zur Modemesse

Auch die Fotos der Plakatkampagne zeigen die Bandbreite der historischen Aufladung. Der NSDAP-nahe Architekt Ernst Sagebiel steht 1939 oder 1940 neben einem riesigen Modell des Flughafens. Kinder spielen 1948 Luftbrücke. Eine Tänzerin im 20er-Jahre-Revue-Look tanzt 2013 auf der inzwischen eingestellten Modemesse "Bread&Butter." 

Die Gedanken zu Tempelhof auf den Plakaten im Stadtraum sollen nun auch andere Berlinerinnen und Berliner dazu anregen, Visionen für den Ex-Flughafen zu entwickeln. "Bei unserem Mahl kam dann wirklich die Stadt zusammen und nicht nur the happy few, die sich sonst immer treffen ”, sagt Christophe Knoch, Mitbegründer von Mica Moca und Projektleiter von "Tempelhofer Wald". Den Künstlern geht es nicht um politische Machbarkeit, sondern um den Prozess, Visionen zu entwickeln. So lautet der Appell an die Politik auf einem der Plakate: "Denkt nach - überstürzt nichts - Take all views into account."