Wenn man derzeit Bilder von medizinischem Personal sieht, das die direkten Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie zu schultern hat, sieht man vor allem vermummte Gestalten. Unter Schutzkleidung und Gesichtsmasken verschwinden die Menschen, die täglich um Leben kämpfen. In Italien, wo das Virus besonders gnadenlos grassiert und bereits über 10.000 Menschen an den Folgen der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben sind, haben italienische Fotografen nun Porträts von Ärztinnen und Ärzten, Pflegerinnen und Sanitätern nach ihren Schichten oder in einer raren Pause aufgenommen. Der Hintergrund besteht dabei aus grünen OP-Tüchern, nichts lenkt von den Gesichtern ab.
Obwohl derzeit viel von "Helden" und "Kriegsfronten" die Rede ist, zeigen die Fotos von Luca Bruno, Domenico Stinellis und Antonio Calanni keine Übermenschen, sondern vielmehr erschöpfte Männer und Frauen, die ihr Bestes geben. Im wahrsten Sinne lassen sie die Masken fallen. Keiner der Porträtierten lächelt, bei einigen hat der enge Mund- und Nasenschutz tiefe Abdrücke auf der Haut hinterlassen. Die Intensivpflegerin Daniela Turno (letztes Foto, zweite Reihe, zweite von links) spricht davon, dass auch die Erfahrungen der letzten Wochen Spuren bei ihr und ihren Kollegen hinterlassen. "Es ist wie ein Tattoo", sagt Turno, die im "Humanitas Gavazzeni"-Krankenhaus im besonders betroffenen Bergamo arbeitet. "Es wird immer bei uns bleiben." Der Arzt Gabriele Tomasoni (fünftes Foto) erzählt, wie die Kranken und Sterbenden wegen der Ansteckungsgefahr im Krankenhaus allein bleiben müssen. Er sagt, dass sein Team nicht nur Hilfe durch Maschinen leiste - sondern auch durch Menschlichkeit.
Applaus allein reicht nicht
Die Gesichter der historischen medizinischen Krise lenken auch Aufmerksamkeit auf das marode und kaputtgesparte Gesundheitssystem in vielen Ländern weltweit. Während dem medizinischen Personal nun kollektiv applaudiert wird, arbeiten viele von ihnen (ziemlich unbemerkt) auch außerhalb von Krisenzeiten unterbezahlt auf unterbesetzten Stationen. Viele fordern inzwischen, dass sich die Anerkennung für die Leistung in Pflegeberufen auch in besserer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen niederschlagen muss. Applaus allein reiche nicht.
Inzwischen kursieren in den sozialen Medien auch manipulierte Versionen von Porträts von Ärztinnen und Pflegern. Per Photoshop werden die Abdrücke der Schutzmasken zu blauen Hämatomen und tiefroten Schnittwunden gemacht, um den Alltag in den Kliniken noch monströser erscheinen zu lassen. Die Absicht dahinter mag sein, das Krankenhauspersonal noch heldenhafter aussehen zu lassen. Dabei zeigen die Fotos von Luca Bruno, Domenico Stinellis und Antonio Calanni, dass das gar nicht nötig ist. Die Realität ist diesmal eindrucksvoll genug.