Pressekonferenzen bei Großausstellungen

Stadionrock gegen Kammermusik

Was eine Ausstellung will, kann man oft schon an der Inszenierung von Pressekonferenzen ablesen. Einen besonders großen Gegensatz sah man gerade zwischen der Documenta in Kassel und der 12. Berlin Biennale

Die Tribüne ist gut gefüllt, doch noch ist die Bühne im Kasseler Auestadium leer. Auf einmal aber erklingt wie aus dem Nichts Musik aus großen Boxen – gleich also soll es endlich losgehen. Doch nicht von einem Open-Air-Konzert ist hier die Rede, sondern von der Pressekonferenz zur Eröffnung der Documenta 15. In der Folge füllt sich die Bühne schnell, und ein Potpourri aus Reden, Videos, künstlerischer Performance, Diskussionsrunde und einer Karaoke-Darbietung hält das Publikum in Atem.

Szenenwechsel: Ein eng bestuhlter Raum in der alten Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg. Davor ein Tisch mit fünf Mikrofonen. Hier fand gerade die Pressekonferenz zur 12. Berlin Biennale statt. Eine "PK" as usual: Repräsentative Reden, eine gewichtige Einführung vom Kurator Kader Attia, schließlich Fragen der Journalistinnen und Journalisten, die - es wurde mit der Einladung schon angekündigt-, nicht alle Platz fanden in dem etwas zu kleinen Raum der Akademie. 

Unterschiedlicher also können Pressekonferenzen kaum sein: In Kassel ein Fußballstadion - in Berlin die Akademie. Ein klares Bekenntnis für einen sozialen Ort für alle steht dem Beharren auf eine elitäre intellektuelle Stätte gegenüber, die das Moment der Exklusion zudem durch seine Enge betont. Mehr noch: In Kassel war nicht nur das Kuratorenteam Ruangrupa auf der Bühne vertreten, sondern zudem das fünfköpfige künstlerische Team – in Berlin saß der Kurator alleine auf dem Panel, sein Team musste vor ihm neben den Medienleuten Platz nehmen.

Wohlkalkulierter Mix von high und low

Das kollektive Miteinander auf der Documenta 15 trifft so auf die letztlich doch hierarchisch strukturierte Arbeitsweise der 12. Berlin Biennale. Last but not least: In Kassel ereignete sich ein wohlkalkulierter Mix von high und low, sowie von künstlerischer Praxis und vielstimmigen Diskurs, der sich in einem Dialog von Kuratoren und dem Team entwickelte. Ganz anders die Berliner Pressekonferenz, die überaus seriös in der üblichen Abfolge der Redner - Gastgeber, Organisator, Kurator - abgespult wurde und dabei auf jedwede Form von Dialog verzichtet. Der Kurator trug sein Konzept als theoretisch ambitionierten Monolog vor.

Beide Pressekonferenzen erweisen sich so als präzise inszeniertes Statement, das recht genau Aufschluss gibt über die Modalitäten der jeweiligen Ausstellung: Kollektive Praxis an den Schnittstellen von Gesellschaft, Kunst und Politik gibt in Kassel für die nächsten 100 Tage den Ton an, in Berlin eine politische Kunst, die mit ihrem Akzeptieren der im Kunstbetrieb vereinbarten Konventionen letztlich doch recht brav ist.

Die Anzeige einer Kasseler Bank hat es so auf den Punkt gebracht: "Kunst gehört nicht nur an die Wand, sondern in die Mitte der Gesellschaft". Der Documenta zumindest gelingt dieses wohl - auch wenn ihre Pressekonferenz, genau wie die in Berlin, die Gesellschaft insofern ausschloss, als eine Akkreditierung für ihren Besuch nötig war. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, die Möglichkeit des Streamens im Internet auch jenseits von Corona-Lockdowns für Pressekonferenzen konsequent zu nutzen.

Pressekonferenz als "Action Space"

Die Statement-Funktion von Pressekonferenzen hat übrigens Tradition, nicht zuletzt bei der Berlin Biennale: War doch zum Beispiel deren siebte Ausgabe, kuratiert von Artur Zmijewski und Joanna Warsza, als fast schon aktivistischer "Action Space" in Form einer Assembly organisiert.

Statt in der vermeintlich einzigen möglich Anordnung von "Panel plus Sitzreihen für die Medienvertreter", waren damals die Sitzgelegenheiten in kreisrunder Weise aufgebaut, um zentrierte Hierarchie konsequent zu vermeiden. Zudem stand im Mittelpunkt der Veranstaltung eine Diskussion zwischen aktivistischen Künstlern und den Journalisten, die auch mit eben den Handzeichen geführt wurde, die typisch für aktivistische Assemblies sind.