Kunst oder Straftat?

Prozess um Klebeaktion an Rahmen von Rubens-Gemälde 

Die angeklagten Klimaaktivisten Lukas Popp (l) und Simon Lachner unterhalten sich vor dem Prozessauftakt in München miteinander
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Die angeklagten Klimaaktivisten Lukas Popp (l) und Simon Lachner unterhalten sich vor dem Prozessauftakt in München miteinander

Mit Sekundenkleber haben sich Aktivisten im August am Rahmen eines wertvollen Rubens-Gemäldes festgeklebt. Mit ihrem spektakulären Vorhaben wollten sie auf das Fortschreiten des Klimawandels aufmerksam machen. Ist ihre Tat am Ende selbst eine Kunstaktion?

Kann eine Klebeaktion von Klimaaktivisten an einem Barockgemälde den Wert des Kunstwerks steigern - als historisches Zeugnis für eine Zeit des Umbruchs angesichts des Klimawandels? Um diese Frage ging es am Donnerstag vor dem Amtsgericht München. Anlass war ein Vorfall im August 2022 in der Alten Pinakothek in München, bei dem sich zwei Männer am wertvollen, vergoldeten Rahmen des Bildes «Der Bethlehemitische Kindermord» von Peter Paul Rubens (1577-1640) festgeklebt hatten. Die 25- und 60-Jährigen sind unter anderem wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung angeklagt, ein 24-Jähriger wegen Beihilfe, weil er die Aktion gefilmt hatte.

Es sei vorstellbar, dass der trotz Restaurierung mit Klebstoffresten beschmutzte Rahmen von künftigen Generationen als Marker eines Wendepunktes in der gesellschaftlichen Debatte zum Klimawandel gesehen werden könne, sagte einer der Verteidiger. Das könne seinen Wert erweitern. Eine Ansicht, die der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Bernhard Maaz, nicht teilt. Das sei nur ein anekdotischer Wert, der nicht dadurch steige, indem man die Klebeflecken vermarkte.

Nach Angaben von Maaz sind die Spuren an dem rund 200 Jahre alten vergoldeten Rahmen inzwischen allenfalls für ein geschultes Auge sichtbar. Nach dem Ablösen der Hände habe man rasch mit der Restaurierung begonnen. Das gilt seinen Angaben zufolge auch für die gewebte Wandbespannung des Raumes, in dem das etwa drei mal zwei Meter große Gemälde hängt. Den Schaden bezifferte der Kunsthistoriker mit rund 38 000 Euro am Rahmen und etwa 5500 Euro an der Wandbespannung durch Spuren des Klebers. In der Anklage ist von 50 000 Euro die Rede, bei der Wandbespannung von 5000 Euro.

"Wählen Sie andere Mittel"

Die 60, 25 und 24 Jahre alten Angeklagten bedauerten, dass sie so viel Arbeit verursacht hätten. «Wir wollen keine Kunst zerstören, wir wollen keine Terroristen sein», sagte der 25-Jährige, der sich mit der Hand festgeklebt hatte. Dass es der "Bethlehemitische Kinderraub" war, geschah wohl bewusst. Die Darstellung von Babys, die aus den Armen ihrer Mütter geraubt und ermordet werden, stehe für den Zukunftsraub der Jugend, die Politik fahre alles gegen die Wand, sagte der 60 Jahre alte Angeklagte, der mit den Fingerspitzen am Bild klebte.

Als Motivation nannten sie die Untätigkeit der Politik. Der Klimawandel sei bisher nicht ernst genommen worden. Das sei eine Gefahr für Frieden und Stabilität, aber auch die Kunstschätze. Auf ihren Vorschlag, die Anklage fallen zu lassen und gemeinsam die Geschehnisse in etwas Positives zu verwandeln, ließen sich weder Maaz noch die Staatsanwaltschaft ein. «"Ich würde mich bereit erklären, mich auch regelmäßig immer wieder an den Rahmen zu kleben, wenn es nötig wäre", versprach einer der Angeklagten. "Wählen Sie andere Mittel", riet Maaz dagegen. Das Museum könne nicht der Austragungsort dafür sein. "Es ist einfach schade, dass wir jetzt hier sitzen, weil es der falsche Weg ist für ein richtiges Ziel."

Klimaaktivisten machen mit Klebeaktionen oder Attacken auf Kunstwerke immer wieder Schlagzeilen. Der Prozess soll am 22. Mai fortgesetzt werden. Daneben drohen den Angeklagten auch Schadenersatzforderungen.