Interview mit royaler Porträtistin

Wie es wirklich ist, die Queen zu malen

Queen Elizabeth II. ist im Alter von 96 Jahren gestorben. Wie stellte man eine Königin dar, die schon zu Lebzeiten unsterblich war? 2018 haben wir die königliche Porträtmalerin Nicky Philipps gesprochen

Frau Philipps, wie bekommt man den Auftrag, die Queen zu malen? Ich nehme an, sie schickt nicht einfach eine E-Mail?

Nein, alle Porträts von ihr werden von anderen in Auftrag gegeben. Die Queen ist das Oberhaupt von vielen Organisationen und die nehmen Kontakt zum Palast auf. Die sprechen wiederum mit der Queen und es wird eine Vereinbarung getroffen. Zwei meiner drei Porträts von ihr sind für königliche Organisationen entstanden, eins für eine Jubiläumsbriefmarke für die Royal Mail, eins für ihre Leibwächter von der Royal Company of Archers, und das dritte war für ihren Palast in Edinburgh und wanderte direkt in die Königliche Sammlung.

Sie hatten drei Modell-Sitzungen mit der Queen. Worüber redet man da?

Ich rede gern während Sitzungen, weil es die Modelle entspannt und der ganze Sinn der Sache ja die Interaktion ist. Porträts von Fotografien können sehr seelenlos sein, und ich versuche immer, eine Erfahrung mit meinen Modellen zu machen. Man saugt alles von ihnen auf. Wir haben über verschiedene Dinge geredet. Auf einem Bild habe ich ihre Corgies dazu gemalt, also haben wir über die geredet. Sie liebt ihre Hunde.

Gibt es Anweisungen, worüber Sie nicht sprechen dürfen?

Es gibt kein Briefing oder so etwas, es geht vor allem darum, ihr mit dem angemessenen Respekt für ihr Amt zu begegnen. Es kam mir alles sehr natürlich vor, und wenn man diese respektvolle Grundhaltung hat, muss einem auch niemand sagen, was okay ist und was nicht. Das spürt man. 

Finden Sie es leichter oder schwieriger jemanden zu malen, dessen Gesicht so omnipräsent ist wie das der Queen?

Ich finde das Malen an sich nicht schwieriger, aber es ist schwer etwas zu erschaffen, das vom ganzen Land geschätzt wird. Jeder hat seine eigene Meinung über sie. Ich habe auch meinen Blick und ich male meinen Eindruck von unseren Sitzungen. Ich werde es nie allen recht machen können. Aber ich möchte gern der Queen gerecht werden und für mich selbst das Gefühl haben, dass ich es nicht besser gekonnt hätte.

Malen Sie das Amt oder die Person?

Ich wollte immer beides. Ich wollte sie als Staatsoberhaupt repräsentieren, aber auch als das, was sie als Person ist: eine Mutter, Großmutter und Urgroßmutter.

Herrscher werden seit Hunderten von Jahren porträtiert. Gibt es Raum für Innovation?

Allein bei unserer jetzigen Queen gab es schon reichlich Innovation. Es gibt viele Künstler, die sich viel getraut haben. Ich bin nicht unbedingt eine davon. Mein Malstil gehört eher zum Mainstream, aber das ist eben die Art, in der ich unser Staatsoberhaupt gern repräsentiert sehen möchte.  

Gibt es irgendwelche Accessoires, die immer dabei sein müssen?

Nein, das entscheiden die Auftraggeber. Es wird einem gesagt, was sie tragen wird, obwohl manche Auftraggeber auch offen für Vorschläge sind. Auf meinem ersten Porträt trägt sie keine Tiara, was vielleicht überraschend ist. Aber zum Umhang des Hosenbandordens, den sie trägt, gehört eigentlich ein voluminöser Hut. Weil die Sitzung drinnen war und der Hut einen großen Teil ihres Gesichts bedeckt hat, haben wir ihn weggelassen. Auf meinem zweiten Porträt trägt sie einen Hut mit einer riesigen Feder, die zu ihrem Distelorden-Umhang gehört und auf dem dritten Bild ist ihr Kopf wieder frei, weil ein Hut die Komposition gestört hätte. Es ist also immer eine Frage des Settings, und man muss ein Arrangement finden, das auch den Auftraggebern gefällt.  

In den Texten über Ihre Bilder kommt immer wieder das Wort Würde vor. Wie malt man die?

Wie Sie sich vielleicht gedacht haben, bin ich Monarchistin durch und durch, und ich finde Würde im Amt sehr wichtig, sowohl für die Queen als auch für die Briten. Sie braucht den Respekt ihrer Untertanen genau wie wir sie respektieren müssen. Ich glaube schon, dass man Würde in der Art ausdrücken kann, wie man jemanden malt. Ich ziehe es vor, sie stehend zu malen, das gibt ihr eine majestätischere Haltung. Auch wenn das Alter langsam dazwischen kommt, habe ich sie immer im Stehen abgebildet. Man will nicht sehen, wie sie sich auf einem Sofa herumfläzt, oder? 

Einige Leute könnten das sogar interessanter finden. 

Sicher, es gibt viele Künstler, die mit der Queen herumgespielt haben, aber ich gehöre definitiv nicht dazu. 

Ihr Gemälde der Prinzen William und Harry ist aber deutlich lässiger. Haben die jungen Royals mit ihrem Instagram-Lebensstil ein anderes Verhältnis zu Bildern?

Ja, weil sie eine andere Rolle haben. Die Queen ist im Amt, William ist noch nicht einmal direkter Thronfolger. Solange sie jung sind, müssen sie Zeit bekommen und die Freiheit, so zu sein, wie Menschen ihrer Generation eben sind. Und wenn die Zeit kommt, sollte William all die Würde und den Respekt haben, der jetzt seiner Großmutter zu Teil wird. Ich sehe keinen Grund, warum Instagram und die Würde des Amtes sich widersprechen sollten. 

Wer lässt sich eigentlich heute noch malen? Ist das ein Phänomen der Adeligen?

Überhaupt nicht. Es ist eher so, dass die Erkenntnis ins kollektive Bewusstsein zurückkehrt, wie viel interessanter ein Gemälde im Vergleich zu einem Foto ist. Es gibt viele Familien, Unternehmen und Organisationen in Großbritannien, die eine lange Porträttradition haben, und die Leute wollen sie nicht brechen. Eine Reihe von Fotos an der Wand hat einfach nicht denselben Reiz. Ich finde es sehr spannend, wenn sehr alte Familien neue Porträts in Auftrag geben. Manchmal sieht man Gesichtszüge, die sich über 200 oder 300 Jahre immer wiederfinden. Ich finde, dass jeder sein Porträt malen lassen sollte. Man kann immer eine neue Tradition begründen. 

Als Porträtmalerin ist ihr Stil sehr naturalistisch, und Sie müssen Ihren Auftraggebern gerecht werden. Waren Sie jemals neidisch auf die Maler, die alles selbst entscheiden und als innovativ gelten, wenn sie Farbe gegen Leinwände werfen?

Ich habe selbst auch mit Farbe experimentiert, aber ich fühle enorme Befriedigung, wenn ich das male, was ich sehe. Bis mein Augenlicht erlischt, werde ich wohl nicht mehr zur expressiv abstrakten Künstlerin – obwohl man ja nie weiß. Ich hatte schon Ausstellungen mit Landschaftsbildern und ich mache Aquarelle und Zeichnungen, aber ich komme immer wieder zu Porträts zurück und liebe es einfach, Leute in meinem Studio zu haben. Ich weiß nie, wer als nächstes kommt. Es ist ein fantastischer Job. 

Interessieren Sie sich für zeitgenössische Kunst außerhalb der Royal Portrait Gallery?

Ich finde es ein wenig frustrierend, dass die künstlerische Ausbildung nicht mehr das zu sein scheint, was sie mal war. Ich habe viel Glück gehabt und konnte in Florenz das Malen lernen. Ich hatte eine ordentliche klassische Ausbildung, aber heute schauen die Leute schnell darauf herab. Ich glaube, dass es wichtig ist, seine Augen zu schulen, bevor man eine künstlerische Karriere beginnt. Ich weiß, dass eine Strömung gibt, die davon ausgeht, dass Malerei nur das ist, was man daraus macht, und dass man so die wahre Spontaneität aus einem Künstler herausbekommt. Ich bin nicht sicher, ob ich dem zustimme. Monet oder Picasso waren sehr andere Maler als van Dyck oder Brueghel und doch hatten sie alle eine klassische Ausbildung. Ich glaube der Punkt, der ganz verschiedene Epochen vereint, ist, dass sie alle wirklich gut zeichnen gelernt haben. Das zahlt sich bei Modellsitzungen aus. Wenn man nicht alle Zeit der Welt hat, muss man sich auf sein Auge verlassen können.

Aus deutscher Perspektive ist es schon fast skurril, wie populär die britische Königsfamilie immer noch ist. Ist die Queen so etwas wie ein Beruhigungsmittel in politisch instabilen Zeiten?

Absolut, das steht überhaupt nicht in Frage. Das ist der Hauptgrund, warum Großbritannien als so stabiler Ort betrachtet wird: Die Queen ist die eine Konstante. Und frei nach dem Sprichwort "Der König ist tot! Lang lebe der König!": Wenn eine geht, kommen die nächsten. Ich glaube, dass vielen Menschen gar nicht bewusst ist, wie eng die Queen mit unserer Verfassung verbunden ist. Es geht nicht nur darum, in den Klatschblättern aufzutauchen. Die Armee schwört auf die Queen, nicht aufs Parlament und in einem Notfall kann die Queen das Parlament auflösen. Es ist ein Schutz gegen Tyrannei. Wenn wir einen Premierminister wählen, der durchdreht, kann die Queen einschreiten, weil sie Kontrolle über die Armee hat. Ich glaube es gibt sogar eine Verbindung zum politischen Aufruhr des Brexit. Viele Leute wollen nicht sehen, wie der EU-Präsident an die Stelle unserer Queen tritt. Wir werden ihn niemals als unser Staatsoberhaupt ansehen.  

Viele Menschen in Großbritannien haben nur diese eine Königin erlebt. Wird sie noch als sterbliches menschliches Wesen, oder eher als ewige Figur gesehen?

Es wird ein schrecklicher Schock sein, wenn sie eines Tages nicht mehr da sein wird. Ich denke, dass Charles ein guter König sein wird, aber die Menschen werden erschüttert sein, eben weil sie niemanden anders als die Queen erlebt haben. Wenn ich mit meinen Bildern irgendetwas zu ihrem Vermächtnis beitragen kann, wäre das fantastisch. Ich hätte niemals gedacht, dass ich sie malen würde, und nun habe ich es schon drei Mal getan. Ich denke, ich habe Glück gehabt. Aber am Ende des Tages wird die Monarchie weiterleben und auch wir werden weiter machen.

Wen würden Sie gern als nächstes malen: Meghan oder Kate?

Kate habe ich schon gemalt. Und ich finde jedes Gesicht interessant. Ich freue mich auf alle, die noch kommen.