Kunst-Supermarkt

Die Ewigkeit aus der Perspektive einer Plastiktüte

Der Abschied von der Einmaltragetasche: wegen Pandemie verschoben. Die US-Künstlerin Robin Frohardt hat sich im Lockdown Gedanken über Kunststoff und Zeit gemacht - und hat einen Supermarkt geschaffen, der nur aus Plastiküten besteht

Vor einem Jahr sah es so aus, als wären wir auf einem guten Weg: Jeden Freitag protestierten Jugendliche für mehr Umweltschutz, das Thema beherrschte die Medien und die EU hatte tatsächlich die Herstellung von single use plastic verboten. Die Tage von Kunststoff-Rührstäbchen und Plastiktüte schienen gezählt. Doch dann brach eine Pandemie aus, und die Kunststoffe feierten ihre triumphale Rückkehr in unsere Leben. Weil sie Hygiene garantieren. Und sie werden wohl auch noch eine ganze Weile bleiben – mindestens als Müll.

Während uns Corona die eigene Verletzlichkeit, ja sogar Sterblichkeit drastisch vor Augen hält, verschließen wir selbige vor der Langlebigkeit der Kunststoffe. Eine Plastiktüte braucht über 100 Jahre bis sie abgebaut ist, eine Plastikflasche sogar bis zu 450 Jahre. Hätte ein Seemann auf einem der Schiffe der Spanischen Armada 1588 eine Plastikflasche über Bord geworfen, würden wir heute noch Reste von ihr finden. Das sind Dimensionen, die über unsere Vorstellung hinausgehen. Plastikmüll ist fast eine Art kleiner Bruder strahlender Atomreste – beide unterschätzen wir in ihrer Wirkung auf sehr lange Zeit.

Kunststoff ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Nicht nur, weil gerade Pandemie ist, sondern auch, weil unser Alltag dadurch so viel einfacher wird. Was schert uns die lange Abbauzeit, wenn wir unseren Einkauf vom Supermarkt nach Hause bringen müssen? Und genau das ist der Punkt, an dem die US-Künstlerin Robin Frohardt mit ihrem "Plastic Bag Store" ansetzt. Die gelernte Puppenbauerin entführt ihre "Kunden" mit einem 60-minütigen, immersiven Parcours durch die Konsumgewohnheiten des 21. Jahrhunderts – und tut das mit erstaunlich viel Witz.

Life in plastic, it's fantastic?

Ihr Laden wirkt auf den ersten Blick wie ein gut gefüllter US-amerikanischer "grocery store", also ein Gemischtwarenladen. Doch fehlt nicht nur am Gefrierregal die Kühlung, auch die Gurken sehen verdächtig frisch aus – ganz ohne Plastikfolienkondom. Derlei wird hier nicht benötigt. Denn alle Waren bestehen aus single use Plastik. Frohardt hat die Monate des Lockdown damit verbracht, unzählige Lebensmittel täuschend echt aus Plastiktüten nachzubauen. Eine besondere Form des upcycling, bei dem aus Müll wieder etwas Brauchbares – in diesem Fall Kunst – gemacht wird. Und so schwimmt selbst in der Cola-Flasche nur schwarzer Kunststoff.

Angebotsschilder locken mit Aufschriften wie "Polluted Sausage" und "Taste the Nothing …". Und egal ob auf Joghurtbechern oder Zigarettenschachteln, Frohardt ist eine ungeheure Vielfalt an Wortspielen mit dem englischen Wort für Tüte, bag, eingefallen. Sie kommentiert das mit: "In den Fallgruben des Kapitalismus lässt sich erstaunlich viel Witz finden." Humor und Satire seien für sie ein wirkungsvolles Werkzeug für soziale Kritik, "gerade bei Themen, die einen in der direkten Konfrontation traurig machen oder überfordern."

Jean Cooney, die Direktorin der Initiative Times Square Arts, die das Werk im Herzen von New York präsentiert, stimmt zu: Während Forhardts Plastikladen unaufdringlich und vor allem unterhaltsam sei, behandele sie damit doch die großen Themen Kapitalismus, Konsum und Klimawandel. Die Künstlerin stelle die große Frage, "wie etwas, das wir am geringsten schätzen, zu unserer folgenreichsten Hinterlassenschaft werden kann". Das, was uns heute noch angenehm erscheint, hat Folgen für Jahrhunderte. Frohgardt betrachte das Konzept "Ewigkeit" aus der Perspektive einer Plastiktüte.