"Rohkunstbau" im Spreewald

Eine Gruppenausstellung mit Hindernissen

Einmal mehr zieht "Rohkunstbau" in das Umland Berlins. Neben großer Kunst zeigt diese Ausgabe aber vor allem eines: Wiederkehrende Probleme der Ausstellungsreihe

Es könnte so einfach sein. Seit 1994 findet regelmäßig die Ausstellungsreihe "Rohkunstbau" ein temporäres Zuhause in den Schlössern, Herrenhäusern und Villen Brandenburgs. Bereits mit der ersten Ausgabe war es das Ziel, vergessene Kulturorte und später auch fürstliche Prachtbauten im Umland Berlins wiederzuentdecken und neu zu beleben. Im Umfeld der stressgetriebenen Zwischennutzungsdynamik der Hauptstadt ist dieses Projekt ein Entschleunigung versprechender Hafen. In wechselnder Formation werfen die "Rohkunst"-Kapitäne den Anker an verschiedenen Orten aus und praktizieren, was seit Dekaden in Berlin gepredigt wird: Reanimierung, Reaktivierung und den Versuch einer nachhaltigen Ausstellungspraxis. Doch seit einigen Jahren droht das Schiff zu kippen.

Seit dem 7. August sind die Türen des erstmals bespielten Schlosses Altdöbern im Spreewald für Besucherinnen und Besucher offen, zumindest für die Altdöberner. Theoretisch für alle, aber irgendwie auch nicht. Hier beginnt die Irrfahrt durch bürokratische Eisfelsen. Die Pressetour findet erst neun Tage nach Eröffnung statt, denn lange habe man auf eine Genehmigung warten müssen, wie Vorstandsmitglied Inka Thunecke wissen lässt. 

Das Schloss war einst Domizil des kurfürstlichen Beraters Carl Heinrich von Heineken. Als Schriftsteller, Sammler, Altdöberner Gerichtsherr und vor allem Direktor des Kupferstichkabinetts in Dresden stand er Friedrich August III, dem Sohn August des Starken, bei Kunst- und Kuriositätenkäufen zur Seite. Die Vergrößerung ästhetisch konfigurierter und repräsentativer Sammlungen war dem Lebemann also ein bekanntes Spiel. So ließ von Heineken das Schloss aufwendig ausbauen und den dazugehörigen Garten um das Sechsfache vergrößern.

Enormer Aufwand

Ein gigantisches, begrüntes Areal erstreckt sich um die dreiflügelige Schlossanlage, vor der Front eine florale Augenweide um den – wie könnte es auch anders sein – Springbrunnen. Der Kunsthistoriker Udo von Alvensleben beschrieb das Gelände in Tagebucheinträgen der 1910er-Jahre als "durch berühmt gewordene Extravaganzen zugrunde gewirtschaftet". Angeblich ließ der Graf von Witzleben-Alt-Döbern ganze Alleen im Wald zu seiner Unterhaltung ausleuchten. Seinen Umbau des Barockschlosses bezeichnete von Alvensleben als "unmöglich".

Was eine zufällige Dopplung sein mag. Denn auch Arvid Boellert, Vorstandsmitglied und Gründer des Rohkunstbau-Freundeskreises, bezeichnet das jährliche Stemmen der Hindernisse, die die Initiative in den Weg gelegt bekommt, als "unmöglich". In seiner 28-jährigen Geschichte fand der Rohkunstbau an acht verschiedenen Orten statt – nicht wirklich immer neu, nicht wirklich immer gleich. 2012, 2019 und 2021 musste der Rohkunstbau ausfallen – aufgrund von Personal- und Finanzierungsschwierigkeiten oder wegen des Fehlens eines Ausstellungsortes. Es ist bezeichnend, dass auf der Website in großen Lettern steht "ROHKUNSTBAU 27 findet statt". 

Zunächst bedürfe es eines großen und vor allem strukturell finanzierten Engagierten-Kreises, um die Suche nach jährlich neuen Orten und den Umgang mit den individuellen Gegebenheiten zu organisieren. Aufgrund dieses enormen Aufwands hat sich die Wanderausstellung in manchen Umgebungen länger niedergelassen, zwischenzeitlich nach einem ständigen Sitz Ausschau gehalten.

Suche nach einem permanenten Standort

Als 2017 die 24. Ausgabe auf dem Schloss Lieberose ein vermeintliches Zuhause fand, gingen leise Gerüchte um, "Rohkunstbau" könne sesshaft werden. Zwei Jahre fand die Ausstellung dort statt, dann fiel sie aus, dann fand sie wieder statt, nun ist das Gebäude verkauft und die geplanten Sanierungsarbeiten verunmöglichen eine weitere "Rohkunstbau"-Schau an dem Ort. Nun als Schloss Altdöbern.

Seit 2015 ist das Gebäude teilsaniert. Zwei Mal konnten Besucherinnen und Besucher seitdem das Schloss anschauen: einmal die untere, einmal die obere Etage. Diesmal brachten die Beteiligten des "Rohkunstbaus" nicht nur die Stiftung Denkmalschutz mit den hiesigen Behörden in einen beschleunigten Austausch, sondern ermöglichen den Lausitzern erstmals seit Ewigkeiten, das Schloss auf mehreren Ebenen zu begehen.

Den Kitsch der restaurierten historischen Wandmalereien lassen Udo von Alvenslebens krasses Urteil verständlich erscheinen. Die hochprovokanten Malereien Rainer Fettings oder Cindy Shermans großformatige Fotoarbeit müssen auf Staffeleien oder besonderen Gestellen installiert werden, denn in die Wände des denkmalgeschützten Gebäudes darf natürlich nicht gebohrt werden. Aus konservatorischer und denkmalpflegender Perspektive ist das nachvollziehbar. Nur ist das Schloss dann vielleicht nicht der richtige Ort für eine Ausstellung mit Malerei auf Leinwand oder C-Print-Fotografie?

Ortspezifisch oder fehl am Platz?

Einigen Werken werden die besonderen Umstände zuträglich. So kommt Markus Schallers meditative Kohlestaub-Videoinstallation "Aktom" durch seine freigelegte Installation am Fuß des Treppenaufgangs spürbar eindrucksvoll zur Geltung. Patricia Detmerings AR-Installation "Past in Progress" greift nicht nur thematisch die in Vergessenheit geratenen Späterfolge der Umweltschützerinnen und -schützer in der DDR auf, sondern haucht dem verstaubten Prunkbau durch gelblich-schwarz verfärbte Sandschlieren und -häufchen neues Leben ein, die sie auf dem Boden im unsanierten Teil des Schlosses verteilte. Gegenstand ihrer Installation ist der in ihrer thüringischen Heimat ausgestorbene Feuersalamander, der eine Schwangerschaft bis zu sieben Jahre im eigenen Körper konservieren kann. Inhaltlich sowie ortsspezifisch ist diese Arbeit ein kuratorischer Meistergriff.

In einem weiteren Raum kommt Thorsten Brinkmanns Plastik "Venus du Rûh" zur einer besonderen Geltung. Flankiert auf seinem repräsentativen Sockel wird das Werk von mannshohen Erklärungstafeln, die jedoch keine Information über den humorvoll, poppigen Wahlhamburger gibt. Auch sind hier keine Texte zur Ausstellung, allgemein zur Kunst präsentiert. Nein, auf diesen Tafeln finden sich vollends fremde Erklärungen, die gar nichts mit der Ausstellung oder dem Verein des Rohkunstbaus zu tun haben. Eine Bedingung, um den Raum nutzen zu dürfen. Auch hier hätte man sich als Träger des Schlosses in den Hintergrund absetzen sollen, um der Kunst und dem kuratorischen Konzept einen Gefallen zu tun.


Leicht verliert man diese durchaus sinnvollen, kuratorischen Entscheidungen im Strom abstruser Umstände aus dem Fokus. So finden sich im sogenannten Marmorsaal die architekturimperativen Skulpturen von Katja Strunz, Werke, die unmittelbar auf ihre räumliche Umgebung reagieren, sie kommentieren und umstrukturieren. Keine Gleichförmigkeit zulassen. Und in diesem Raum sind knöchelhohe Tensatoren installiert worden, wenige Zentimeter von den Wänden entfernt. Wozu? Um die Besucherinnen und Besucher von den wertvollen Kitschwänden fernzuhalten. Eine Entscheidung, die Katja Strunz, die Kuratorin Heike Fuhlbrügge und alle Besuchenden akzeptieren müssen. 

Der einzige gelungene Zufall, der sich aus diesen Konditionen ergeben hat, ist die Zusammenstellung der acht historischen Original-Putti aus dem Schlossgarten. Diese flankieren im lichtdurchfluteten Atrium den "Dreamer" – eine Skulptur von Francesca Marti aus poliertem Aluminium. Dass der oberflächenspiegelnde Träumer auf eine ausgediente Bank gesetzt wurde, von der bereits die trockene Farbe perlt, belegt das ästhetische Feingefühl Heike Fuhlbrügges, das den Bedingungen des Ausstellungsortes leider viel zu oft weichen musste.

Unter dem Titel "Zukunft – Ins Offene" wird hier eine Themendichte verhandelt, die die spürbare Weitsicht der Beteiligten und die Omnipräsenz der Vielzahl an Diskursen vermittelt. Leider wird von dieser ambitionierten Idee durch die konfusen Einwürfe und Widerstände der verschiedenen Akteurinnen und Akteure aus dem organisatorischen Umfeld viel zu sehr abgelenkt. Wenn die institutionelle Förder- und Auflagenpraxis wegweisenden Projekten wie dem Rohkunstbau in Zukunft nicht die notwendigen Rahmenbedingungen ermöglicht, fallen solche Initiativen vielleicht irgendwann weg und die historischen Gebäude in die Hände von Privateigentümern, die dann dort ihre eigene Kunst ausstellen. Nur dann nicht für die Öffentlichkeit.