Besuch bei Künstlerin Rosa Barba

Alles in Bewegung

In ihrem Berliner Studio bringt die Künstlerin Rosa Barba Film, Licht und Klang aus dem Takt – kurz bevor ihre große Werkschau das MoMA in New York entert. Ein Besuch in flirrenden Zwischenräumen

Im Atelier von Rosa Barba in Berlin-Wedding herrscht eine konzentrierte, fast vibrierende Stimmung. Zwischen Maschinen, Filmspulen und leise summenden Apparaturen laufen die letzten Vorbereitungen für ihre vielleicht wichtigste Werkschau bis hierher: Anfang Mai eröffnet im Museum of Modern Art in New York "The Ocean of One’s Pause" – eine Art offenes System aus Licht, Klang und Bewegung, das 15 Jahre des Schaffens der Künstlerin miteinander verzahnt.

Rosa Barba, 1972 im sizilianischen Agrigent geboren, aufgewachsen zwischen Italien und Süddeutschland, lebt heute in Berlin. Seit Jahren tanzt sie in ihrer Arbeit scheinbar mühelos zwischen Film, Skulptur, Installation und Performance. Wissenschaftliche Neugier trifft auf poetische Offenheit, präzise Recherche auf frei schwebende Fantasie. Kino versteht Barba nicht als abgeschlossenen Raum, sondern als anarchische Architektur – als ein System, in dem Zeit und Raum ins Flirren geraten, kollabieren und sich neu verschränken.

Barba klickt auf eine Datei auf ihrem Computer: "Charge". Die eigens für das MoMA und die Vega Foundation produzierte 35mm-Filmarbeit wird im Mittelpunkt ihrer Ausstellung in New York stehen. Über Wochen hinweg filmte Barba in Physiklaboren, Solarparks und astronomischen Forschungsstätten. Nicht mit digitaler Kamera, sondern mit 16mm-Highspeed-Material, das feinste Verschiebungen und Unsichtbares sichtbar macht.

Kleine Irritationen der Realität

"Es ging darum, wie Licht als Quelle für Veränderungen wirken kann – für ökologische Entwicklungen, aber auch für neue Erkenntnisse", sagt sie. Viele dieser Experimente hat sie eingefangen, wie kleine Irritationen der Realität: Licht, das zu flackern beginnt, Oberflächen, die vibrieren, Landschaften, die zu atmen scheinen.

Im Kravis Studio des MoMA wird "Charge" auf eine acht Meter breite Leinwand projiziert – nicht in einen geschlossenen Kinosaal, sondern in ein offenes Setting, wo Tageslicht, Skulpturen und Spiegelungen in die Wahrnehmung eingreifen. Im Verlauf des Films verändert sich die Projektion: Anfangs bewegte Lichtfelder und Schattenlandschaften, dann plötzlich nur noch reines Weiß, das den Raum flutet, bevor langsam die Bilder zurückkehren. Barba nennt es eine "choreografierte Transformation", eine Bewegung zwischen Sichtbarkeit und Auflösung.

Zeit äußert sich in Barbas Arbeiten sowieso nie in der Rolle eines starren Chronometers. Die Künstlerin interessiert sich für Risse, Schleifen und Überschneidungen, in denen sich Vergangenheit und Zukunft überschreiben. Schon in früheren Filmen wie "Aggregate States of Matters" oder "Outwardly from Earth's Center" beobachtete sie Landschaften nicht als fixe Kulissen, sondern als Speicher von Zeit, Transformation und Erinnerung. "Mich interessiert, wie wir Spuren in Landschaften hinterlassen", sagt sie. "Manchmal als Experiment, manchmal als Irrtum."

Performances als explodierende Gedichte

Auch klanglich denkt Barba ihre Ausstellung als offenes System. Sechsmal wird "The Ocean of One’s Pause" von Live-Performances unterbrochen: gemeinsam mit dem Perkussionisten Chad Taylor und der Sängerin Alicia Hall Moran entwickelt Barba Klangchoreografien, in denen Töne mechanische Reaktionen auslösen. Projektoren springen an, Lichtkegel wandern, Oberflächen beginnen zu schwingen. 

Barba selbst spielt dabei ein experimentell modifiziertes Cello, auf dessen Saiten sie einen laufenden Filmstreifen presst – ein Instrument, das Bild und Klang unmittelbar verbindet. "Ich sehe die Performances als explodierende Gedichte", sagt sie. "Kein klassisches Konzert, sondern ein Raum, in dem alles miteinander vibriert."

Dass Barbas Arbeiten oft zwischen Wissenschaft, Poesie und Musik changieren, zeigt sich auch in anderen Werken der Ausstellung. "Weavers" etwa ist eine Installation aus rot eingefärbten Zelluloidstreifen, die Licht kaleidoskopartig brechen. In "Eyes on the Syllabus" schickt sie Fragmente von Charles Olsons poetischem Manifest "Projective Verse" über endlose Zelluloidbahnen – Texte, die auftauchen, sich verflüchtigen, wiederkehren. 

Einfach kurz mitflimmern

Für Rosa Barba ist Poetik kein Ornament, sondern eine Notwendigkeit. "Ich glaube, Dinge müssen wieder real werden", sagt sie. "Poetik kann helfen, Sprache spielerischer zu machen – sodass wir sie nicht sofort erfassen können."

Immer wieder geht es bei der Künstlerin um Licht: nicht als bloßes Transportmittel, sondern als lebendige Substanz, die Räume auflädt, Geschichten speichert und Bewegungen auslöst. Wenn Barba darüber spricht, klingt es nie technisch, sondern eher wie eine Einladung, anders auf die Welt zu schauen. Weniger als festes Bild, mehr als bewegliche Fläche. 

Vielleicht liegt genau darin die Kraft von "The Ocean of One’s Pause": nicht alles zu erklären, sondern Zwischenräume zu öffnen, in denen Zeit und Raum kurz ihre Form verlieren. Das Schöne daran: In dieser Pause darf man einfach kurz mitflimmern.