Insta-Watchlist: Rosie Gibbens

"Ich möchte zum Objekt werden"

In unserer Reihe "Insta-Watchlist" stellen wir Künstler vor, die uns auf Instagram aufgefallen sind. Die Britin Rosie Gibbens baut absurde Skulpturen aus Körpern und Dingen, die dem Surrealismus ein feministisches Update verpassen


Rosie Gibbens, in Ihrer Bio auf Instagram steht "Misusing objects – misusing body parts". Wie sieht ihre Kunstpraxis aus?

Ich performe und arbeite mit Alltagsgegenständen wie Staubsaugern oder Flaschenöffnern. Ich benutze diese Dinge nicht, wofür sie eigentlich gemacht sind. Ich erledige damit umständlich sinnlose Aufgaben. Zum Beispiel bringt eine Zahnbürste an einer Stichsäge Lippenstift auf oder ein Ventilator bläst Luft in einen Plastikhandschuh, der sich dreht und mir auf den Hintern schlägt. Und zum zweiten Teil: Im letzten Jahr habe ich angefangen, Skulpturen zu machen. Ich habe Teile meines Körpers fotografiert und die Bilder auf Stoff gedruckt, meinen Hintern zum Beispiel, der dann einen BH trägt. Die Körperteile füge ich so zusammen, dass es keinen Sinn ergibt, um groteske und absurde Bilder zu erzeugen.

 

Im zweiten Teil ihrer Bio auf Instagram schreiben sie: "Was kommt heraus, wenn man eine Performance-Künstlerin mit einer Comedian kreuzt? Ein Witz, den niemand versteht." Sind sie auch Komikerin?

Ich bin keine Komikerin, aber in meiner Arbeit ist Humor wichtig. Ich habe Kostümdesign gelernt, von da aus kam ich zur Kunst. Und ja, meine Kunst ist irgendwie lustig, aber das ist nicht mein Hauptanliegen. Wenn ich eine Performance mache, wissen die Zuschauer nicht, ob sie lachen sollen, zuerst aber einmal sind sie verwirrt. Kinder lachen natürlich immer.

Reagieren die Follower auf Instagram anders auf ihre Kunst als das Publikum in einem Galerieraum?

Auf Instagram wird meine Arbeit im Kontext der sozialen Medien und der Art und Weise gesehen, wie Frauenkörper auf dieser Plattform konsumiert und präsentiert werden. Das fühlt sich ganz anders an als in einer Kunstgalerie, in der sich eine voyeuristische Position unangenehmer anfühlt. Auf Instagram müssen Bilder auch ohne den Kontext der Performance funktionieren. In meiner Kunst geht es um Bilder von Frauen, wie wir sie aus der Werbung kennen. Wie werden Frauen dargestellt? Wie fühlt es sich an, wenn ich als Frau angesehen werden?

Bekommen Sie mehr Likes, wenn Sie Ihren Körper zeigen?

Wenn ich auf Instagram meinen Körper zeige, bekomme ich mehr Likes, darum geht es mir aber nicht. Mittlerweile zeige ich meinen Körper weniger, ich bin vorsichtiger geworden. Ich habe mich gefragt, ob ich mit meinen Bildern so tatsächlich Kritik üben kann.


Wird Ihnen wie anderen Künstlerinnen auf Instagram vorgeworfen, dass sie mit dem männlichen Blick spielen?

Das habe ich schon gehört, ja, aber das passiert nicht oft. Ich objektiviere und sexualisiere mich selbst, kann ich mich dadurch selbst ermächtigen? In meiner Arbeit geht es darum, diese Grenzen und Übergänge zu thematisieren.

Fühlen Sie sich durch diese Kritik bestärkt oder geschwächt?

Weder noch. Ich interessiere mich für Debatten in diesem Bereich. Meine Arbeit beinhaltet eine Mehrdeutigkeit in Bezug auf meine Positionierung innerhalb der Politik der Selbstdarstellung. Wenn es einfach wäre, wäre es langweilig.

Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen dem männlichen und dem weiblichen Blick?

Die Debatte um den männlichen und weiblichen Blick vereinfacht die Problematik. Es gibt so viele verschiedene Versionen des weiblichen Blicks. Es kann beispielsweise um Identität und Sexualität gehen. Ich fotografiere meist mich selbst. Ich schaue also mich selbst an, wenn ich fotografiere. Und wenn ich mit Models oder Schauspielern gearbeitet habe, war mir das oft etwas unangenehm. Als Künstlerin kann ich mich selbst freier fotografieren, ich bin dann gleichzeitig Objekt und Subjekt. Wenn ich jemand anderen fotografiere, ist mein Gegenüber das Objekt. Und ja, oft sind der männliche und der weibliche Blick identisch, das Framing ist ein anderes. Es kommt also vermutlich darauf an, wer sich mit welchem Hintergrund und Verständnis die Fotos ansieht. Es gibt ein Video von mir, "Brush", das in einem pornografischen Umfeld viral gegangen ist. Ich putze mir die Zähne mit Zahnbürsten, die an der Wand befestigt sind. Es sieht nach einem Blowjob aus. Als das Video auf einer Pornoseite aufgetaucht ist, fand ich das lustig. Wenn ich aber genau diese Industrie kritisieren will, kann ich nicht solche Videos machen, auch nicht zur reinen Unterhaltung. Also lasse ich das.

Verstehen sie sich als feministische Künstlerin?

Ich bin Feministin und meine Kunst befasst sich mit feministischen Themen, ja. Meine Kunst aber ist nicht aktivistisch. Ich verstehe mich als feministische Performancekünstlerin. Die für den Feminismus dringendsten Themen wie häusliche Gewalt, reproduktive Rechte, Gleichstellung und race werden in meiner Arbeit nicht untersucht. Das sind die Dinge, die mir als Feministin am wichtigsten sind. Als Künstlerin interessiere ich mich mehr für die alltäglichen Kuriositäten der Weiblichkeit und für die Frage, wie ich mein Geschlecht darstellen möchte.


Ihre Antwort macht deutlich, dass es Abstufungen gibt, wenn es um Feminismus besonders im Netz geht. Gerade junge Frauen, die sich auf Instagram selbst darstellen, wie die Künstlerin Leah Schrager, werden oft scharf für ihre sexy Selfies kritisiert.

Wir können selbst entscheiden, wie wir uns zeigen wollen. Wir haben die Wahl. Leah Schrager kann machen, was sie möchte. Und natürlich zieht sie auch ein Publikum an, das den Kunstkontext nicht sieht oder sich nicht dafür interessiert. Daher kommt die Kritik. Es ist ein Fehler, den Feminismus darauf zu reduzieren, wer sich wie und aus welchem Grund im Bikini fotografieren und die Bilder auf Instagram posten darf und wer nicht. Frauen sollten in der Lage sein zu tun, was sie wollen. Es gibt wichtigere systemische Ungleichheiten, die unsere Wut brauchen. Ob es gute Kunst ist, ist eine andere Frage. Ich mag Kunst, die Diskussionen in Gang bringt darüber, wie wir Körperbilder normalerweise sehen oder konsumieren – online und in real life.

Sie arbeiten auch mit ihrem eigenen Körper, die Übertreibung ist aber so stark, dass ihr Körper kaum mehr sexuell wahrgenommen werden kann. Sie arbeiten mit riesigen Körperteilen wie Lippen oder bauen selbst Maschinen, die ihnen mit einem Bild von ihrer eigenen Hand auf den Hintern hauen. Macht es das den Zuschauern einfacher, sich auf den Inhalt zu konzentrieren?

Die Maschinen baue ich alle selbst. Ich möchte zum Objekt werden. Daran arbeite ich, indem ich Maschinen baue, die aus Körperteilen von mir bestehen, die ich angefertigt habe. Wie der Arm, den sie gerade erwähnten. Mein eigener Arm haut mit auf den Hintern. Ich nehme gerne Elemente, die traditionell als sexy und übertrieben angesehen werden. Zum Beispiel sind die riesigen Lippen eine Vergrößerung des Schmollmunds, der auf Fotos in Dating-Apps zu sehen ist. Ich performe oft Gesten, die mit dem Thema Verführung in Verbindung gebracht werden wie beispielsweise das Lecken. Ich verlangsame und beschleunige Bewegungen oder kreuze unsinnig meine Beine. Das macht sie seltsam. Meine Maschinen streicheln meine prothetischen und meine eigenen Körperteile. Das heißt, ich kann sowohl passiv als auch dominant sein. Ich hoffe, dass diese Übertreibungen den Menschen helfen, das Werk sowohl als Kritik als auch als Feier dessen zu sehen, was ich parodiere.