Ausstellung in Mailand

Landeier auf Speed

Ihre Kunst ist nervös, schnell, hyperaktiv - doch jetzt sind Ryan Trecartin und Lizzie Fitch ins Grüne gezogen. In neuen Filmen erzählt das Künstlerduo vom neuen Landleben mit all seinen Widrigkeiten

Man könnte meinen, Ryan Trecartin und Lizzie Fitch seien einfach dem Klischee der kreativen Hipster gefolgt, als sie aufs Land zogen, in ein großes Haus mit genug Platz für alle stadtmüden Freunde, für Gemüsegarten und Hühner.

Das mit dem Platz und den Hühnern stimmt zumindest, doch der eigentliche Grund für die beiden Künstler, von LA nach Athens, Ohio zu ziehen, war ihr neues Großprojekt "Whether Line", in Auftrag gegeben von der Fondazione Prada. Seit fast drei Jahren leben und arbeiten sie nun in Ohio, wo beide auch aufgewachsen sind, und haben dort ein Setting gebaut, das sie als "haunted map" bezeichnen. Eine große Scheune, ein Wasserkanal mit künstlicher Strömung und ein Wachturm im Wald sind die Hauptpunkte auf dieser Karte.

In ihrer Mailänder Ausstellung in der Fondazione Prada muss man sich nun selbst auf einen labyrinthischen Weg machen, beginnend in einem käfigähnlichen Raum, durch endlose Schlaufen von Absperrbändern, von allen Seiten beschallt durch eine verstörende Sound­installation, dann durch einen vergitterten Tunnel quer über den Hof, bis man schließlich in der riesigen ehemaligen Lager-, heute Ausstellungshalle vor einem Nachbau der Scheune mitsamt dem Wachturm aus Ohio steht.

Das Hin und Her zwischen Orten ist auch ein zentraler Teil der Geschichte, die Trecartin und Fitch in ihrem neuen Film "Plot Front" und der Vierkanal-Videoinstallation "Property Bath" entwickelt haben – beide wurden in der Scheune gedreht, wo sie jetzt zu sehen sind. Im Film verschwimmen die Grenzen zwischen dem neuen Landleben mit all seinen Widrigkeiten – von Unwettern bis zu langwierigen Streits mit dem einzigen Nachbarn – und einer fiktiven Welt.

Hauptfigur ist das neighbor girl, abwechselnd gespielt von Ryan Trecartin und anderen (männlichen) Schauspielern. In ihrem blauen Kleid erinnert sie an Alice im Wunderland, nur dass sie alles andere als freundlich ist. Sie spricht in der Vergangenheit, im Präsens und Futur, kryptisch und aggressiv zugleich. Das Verbinden der verschiedenen zeitlichen, aber auch räumlichen Ebenen wird in der Scheune auf die Spitze getrieben: Man steht in einem Haus in einem Gebäude, schaut von oben durch das offene Dach in ein Zimmer, in dem Aufnahmen aus dem Wald laufen. Es gab die Idee in dem Film, sagt Ryan Trecartin im Interview mit dem Kurator Mario Mainetti, dass wir vielleicht in einer virtuellen Welt leben und unser Setting nur ein Spiel ist und alle Charaktere Teil davon sind. Die Spielregeln beherrschen Lizzie Fitch und Ryan Trecartin meisterlich.