Sam Falls über Kunst mit Regen und Sonne

"Das Aufregendste ist der Einfluss des Zufalls"

Der US-Künstler Sam Falls arbeitet mit Pflanzen, Wetter und Zeit. In Zürich zeigt er neue Werke, die mit Regen entstanden sind. Hier erklärt er, warum für ihn die Natur zur wichtigsten Mitgestalterin seiner Kunst geworden ist


Sam Falls, Ihre Bilder entstehen in Zusammenarbeit mit der Natur. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Ich habe Kunstgeschichte und Philosophie studiert, mein Weg zur Fotografie ging über die Frankfurter Schule, Walter Benjamin, dann Susan Sontag. Als ich mit der Uni fertig war, gab es zwei Arten von Fotografie: eine künstlerische Variante der dokumentarischen Fotografie, etwa von Collier Schorr, Roe Ethridge oder Wolfgang Tillmans, und die abstrakte Fotografie von beispielsweise Wade Guyton oder Walead Beshty. Mein Traum war jedoch, Fotografie in die Welt von Malerei, Skulptur und Kunstgeschichte zu bringen. 

Woher kam der Traum?

Im Museum of Modern Art war die Fotografie damals noch getrennt vom Rest ausgestellt – und ich dachte, wir sind an einem Punkt der Geschichte, an dem Fotografie Seite an Seite mit Malerei stehen sollte. Je mehr ich mich dann mit Fotografie beschäftigte, desto mehr bekam ich das Gefühl, dass ich den Apparat selbst loswerden musste. Was blieb, waren die philosophischen Aspekte der Fotografie und die ganz praktischen Faktoren wie der Einfluss von Licht und Zeit. Das führte mich zur Arbeit draußen, wo ich einfach Stoff und Sonnenlicht benutze, sehr lange Belichtungszeiten, ohne chemische Zusätze. So bin ich zu diesen natürlichen Fotogrammen gekommen. Es war eine Art Regression, um dem Dialog darüber, was Fotografie sein könnte, ein Update zu geben.

In Zürich zeigen Sie jetzt neue Arbeiten. Wie sind die genau entstanden?

Diesmal sind sie mit Regen statt Sonne entstanden. Ich verwende dazu ein trockenes Pigment, das auf Wasser reagiert. Ich nehme die Leinwand mit nach draußen in den Wald, wähle Pflanzen aus der Region, lege sie auf die Leinwand und bringe das Pigment auf. Die Feuchtigkeit der Nacht oder auch der Regen aktivieren die Farbe. Dann entferne ich die Pflanzen wieder. Das Bild, das man dann sieht, ist nicht nur ein Abbild dieser Pflanzen, sondern auch der Atmosphäre, des Windes, des Regens, des Wetters.

Das ist dann auch wie das Porträt eines bestimmten Ortes zu einer bestimmten Zeit.

Genau. Ein Teil der Ausstellung ist in New York entstanden, ein weiterer an der Küste Kaliforniens. Der Winter in Kalifornien ist großartig dafür: Es gibt viel Feuchtigkeit und Nebel an der Küste. Es ist wie ein Atelier im Freien, die Bedingungen sind ziemlich vorhersehbar. Ich weiß, dass es feucht genug wird, egal, ob es regnet oder nicht – und es hat sogar ziemlich viel geregnet. In New York war es dagegen trockener als üblich, aber der nächtliche Tau hat gereicht. Ich arbeite oft nachts. Wenn es weniger regnet, werden die Bilder schärfer. In Zürich zeige ich auch erstmals Keramiken, die ebenfalls Abdrücke von Pflanzen tragen – wie Fossilien.

Sie geben also einen Teil der Kontrolle darüber, wie die Werke werden, an die Natur ab.

Ja, das ist das Tolle. Das Aufregendste für mich ist immer der Einfluss des Zufalls. Ich weiß nie, was am Ende herauskommt. Es kann auch sein, dass etwas nicht klappt, aber ich bin sehr offen für die Vorschläge der Natur.

Gibt es viele Bilder, die nicht gelingen?

Ja, manchmal regnet es so viel, dass alles überflutet wird, und dann ergibt sich kein Bild. Aber dann wird diese Leinwand der Hintergrund für ein neues Werk. Oft braucht es fünf oder sechs Versuche für ein gutes Bild. Aber ich benutze alle Leinwände wieder.

Wer über das Wetter spricht, spricht heute gleichzeitig auch über den Klimawandel. Wie sehr sind ökologische Fragen in Ihrer Arbeit präsent?

Ich verstehe mich ganz klar als Umweltschützer. Das ist auch daraus entstanden, dass ich seit 15 Jahren in der Natur arbeite. Wie wir die Natur bewahren können, wird für mich immer wichtiger. Sie ist Teil meiner Werke, und ich versuche, das Bewusstsein für Umweltschutz über diese Werke zu schaffen – vielleicht nicht allzu direkt, aber der Unterton ist immer da. Ich hoffe, dass mein Werk die Menschen dazu inspiriert, über die Rettung der Wälder nachzudenken, oder auch einfach, sie mehr zu schätzen und ihren eigenen Weg zu dem Thema zu finden.

Ökologie als Thema im öffentlichen Diskurs scheint allerdings gerade auf dem Rückzug zu sein.

Es scheint fast wie ein Luxus, angesichts der katastrophalen Weltlage über ökologische Fragen zu sprechen. Aber trotzdem gibt es weiterhin sehr viele Menschen, die sich intensiv damit beschäftigen. Ich glaube, das läuft in Wellen. Es wird wieder an die Oberfläche kommen – weil es einfach nötig ist.

Was bedeutet es für Sie persönlich, so viel in der Natur zu arbeiten?

Für mich ist es erdend und sehr unmittelbar. Es ist fast ein buddhistisches Leben, ich fühle mich in der Gegenwart. Es ist so nah an Meditation, wie ich kommen kann.