Istanbul-Biennale

Same faces, different places

Wenn es darum geht, Sponsorengeld zu verbraten, ganzseitige Hochglanzanzeigen zu schalten, ein paar Künstlerstars mit Drinks unter Palmen zu setzen, Abend für Abend im selben Club abzuhängen, morgens zusammen schwimmen zu gehen: Dann ist das hier der richtige Ort! So lautete die unausgesprochene Botschaft an den aufkommenden Kunst-Jetset bei der Karibischen Biennale. Jens Hoffmann veranstaltete sie 1999 zusammen mit dem Künstler Maurizio Cattelan auf der strukturschwachen Antilleninsel St. Kitts.

Den beiden gelang eine perfekte Biennale mit allem, was die Besucher daran so schätzen – nur dass kein einziges Kunstwerk irgendwo zu sehen war. Die Kunstprofis und -liebhaber, angelockt von den Versprechungen (die alle eingehalten wurden), merkten erst, dass das Ganze auf ihre Kosten ging, als sie schon bis zum Knöchel im Sand steckten. Das war, typisch Cattelan, Satire der härtesten Sorte und, typisch Hoffmann, schmerzhafte Systemkritik.

Auch die von Jens Hoffmann verantwortete 12. Istanbul-Biennale vertraut auf den Überraschungseffekt. Bis zum Start am 17. September bleibt die Künstlerliste geheim beziehungsweise „als Teil der kuratorischen Prämisse absichtlich unveröffentlicht“, wie das Organisationsbüro auf Anfrage mitteilt. Der Titel, „Untitled“, hört sich zwar nach einem weiteren Ausweichmanöver an, zielt aber genau auf einen einschlägigen Kunstbegriff ab: Felix Gonzalez-Torres dient als Vorbild, der seinen Werktiteln immer „Untitled“ vorangestellt hatte.

Hoffmann orientiert sich nicht nur am Anspruch des Künstlers, dass Kunst immer absolut politisch und dabei höchstpersönlich zu sein habe. Sondern auch konkret an seinen Arbeiten. Jede der vier Gruppenschauen (zusätzlich gebe es „ungefähr 45 Solopräsentationen“) trägt den Titel eines Gonzalez-Torres-Werks und bearbeitet die Themen weiter: „Untitled (Passport)“, „Untitled (Death by Gun)“ und so fort. Als kleine Kabinettausstellungen sollen sie für die gesamte Biennale eine Leitlinie ergeben.

Hoffmann bleibt skeptisch gegenüber einem Publikum, das wegen großer oder vielversprechender Namen anreist. Zum anderen beharrt er, ein klassischer Autorenkurator unserer Tage, auf Disziplin und Erneuerung der etwas verkommenen Sitten. War die Idee der Biennalen doch einmal, Städte oder Regionen durch künstlerische Eingriffe und Präsentationen zeitweise neu zu aktivieren – im Wechselspiel zwischen Ort und Werk, Einheimischen und Gästen.

Der ausgebildete Dramaturg Hoffmann setzt in seinen Veranstaltungen immer radikal auf das situative Erleben, daher auch seine enge Verbindung zu Tino Sehgal, der im Programm zu vermuten ist. Dabei hat sich Istanbul als Schauplatz mittels Kunst ausgetragener Debatten bereits unter Hoffmanns Vorgängern wie Charles Esche und Hou Hanru bewährt. Jens Hoffmann könnte in den Antrepo-Hallen am Meer den Sinn von Biennalen noch einmal zuspitzen. Auch gegen die globalisierte Version der Gegenwart – same faces, different places  –, die sich nicht mehr die Mühe macht, irgendetwas über ihren Austragungsort zu erfahren, das über seine Eigenschaften als Kulisse hinausreicht.

12. Istanbul-Biennale: „Untitled“, 17. September bis 13. November