Neubau am Heimplatz

Sandsteinträume

Das Kunsthaus Zürich, eines der führenden europäischen Museen, bekommt einen Neubau von David Chipperfield. Nicht alle sind davon begeistert

Das war knapp: Mit gerade mal 53,9 zu 46,1 Prozent sprachen sich die wahlberechtigten Zürcher Stadtbürger 2012 für einen Erweiterungsbau ihres Kunsthauses aus. Neun Stadtkreise votierten dafür, drei dagegen. Zu massiv werde der geplante Neubau am Heimplatz durch das Büro David Chipperfield, monierte im Vorfeld der Eidgenössische Heimatschutz. Durchblicke würden verstellt, Grünraum überbaut.

Zwei Jahre verzögerte dann der juristische Einspruch der der Stadtbild- und Landschaftspflege gewidmeten Stiftung Archicultura gegen Sir David Chipperfields "Kunst- Tresor" den Baubeginn. Die benachbarte alte Kantonsschule sah die Stiftung ins Abseits gedrängt, die Proportionen in dem barocken Vorstadtgebiet von Zürich nicht gewahrt.

Mittlerweile hat Archicultura auf einen weiteren Einspruch verzichtet. Die Bauvorbereitungen haben bereits begonnen. Im Jahr 2020 will man fertig sein. Ob das hinhaut, wird man sehen. Das budgetierte Geld ist jedenfalls vorhanden: Von den auf über 200 Millionen Franken veranschlagten Kosten übernimmt die Stadt 88 Millionen, denselben Betrag geben private Mäzene der Zürcher Kunstgesellschaft. 30 Millionen Franken kommen vom Kanton Zürich, der dazu das Bauland zur Verfügung stellt.

Dafür soll die Erweiterung durch David Chipperfield Architects die Ausstellungsfläche des Kunsthauses Zürich um bemerkenswerte 80 Prozent erweitern. Der ursprüngliche Bau, zwischen 1904 und 1910 vom Schweizer Architekten Karl Moser errichtet und von 2001 bis 2005 saniert, bekommt am südlichen Ende des Heimplatzes einen kantigen Nachbarn.

Chipperfields Haus mit seinen 23 300 Quadratmetern auf drei Etagen beherbergt dann die klassische Moderne, Gegenwartskunst und Wechselausstellungen hinter hohen, schmalen Fenstern und jeder Menge Sandstein. Café, Buchladen, Kasse und andere öffentliche Räume werden im Erdgeschoss versammelt, eine unterirdische Passage bringt die Besucher hinüber ins Stammhaus.

20 und nicht wie bisher zehn Prozent der Sammlung des Kunsthauses können dank der Erweiterung dauerhaft ausgestellt werden. Hinzu kommt die Sammlung Bührle, die ebenfalls im Chipperfield-Block zu sehen sein wird. Das von den Erben des Schweizer Industriellen Emil Bührle (1890–1956) gestiftete Konvolut französischer Malerei und alter Meister war seit 1960 in einer Villa in der Zollikerstraße öffentlich ausgestellt.

In fünf Jahren soll man die Sammlung Bührle unmittelbar neben den Meisterwerken des Kunsthauses sehen können. Die französische Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, freut sich das Kunsthaus schon vorab, könne man dann nur noch in Paris besser sehen.

Und trotzdem, eine wirkliche Begeisterung über den Neubau will sich angesichts der Pläne nicht einstellen. Zu geschlossen und uniform erscheint die Fassade auf den Entwürfen. Chipperfields Wahl von lokalem Sandstein in Verbindung mit der vornehmen Zurückhaltung des Baukörpers lässt ihn sehr konservativ wirken.

Mag sein, dass der Brite mit dem Hang zum feinen Detail den fertigen Bau noch besser hinbekommt – und auch die Kritiker ihren Frieden damit schließen können. Und hoffentlich vergisst das Büro des Museumsbaumeisters nicht, gute Schlösser einzubauen: Vier der bekanntesten Gemälde der Sammlung Bührle, darunter der "Knabe mit der roten Weste" von Paul Cézanne, wurden 2008 bei einem Raubüberfall gestohlen. Die unversicherte Beute mit einem geschätzten Wert von 180 Millionen Franken ließ die Ermittler vom "größten Kunstraub Europas" sprechen. Mittlerweile sind sie alle wieder zurück an ihrem Platz – und warten auf den Umzug ins neue, große Kunsthaus.

Dieser Artikel ist erschienen im Monopol Kunst- und Kulturführer Zürich