M+M im Interview

Schizoides Zelluloid

Das Künstlerkollektiv M+M stellt mit "7 Tage" seine neue Filminstallation im Museum für Fotografie vor. Monopol traf Marc Weis und Martin De Mattia zum Gespräch

Splitterkino mit einem irritierend wechselhaften Helden: Christoph Luser agiert als Hauptfigur der Filminstallation "7 Tage" im Berliner Museum für Fotografie. Ein Mann, eine Woche, sieben Szenen. Vom "Montag" bis zum "Sonntag" präsentiert das deutsche Künstlerduo M+M jeweils zwei synchron laufende, aber in Ton und Bild leicht gegeneinander tanzende Sequenzen. Die Szenen sind inspiriert von Godard ("Le Mépris"), Kubrick ("Shining"), Dario Argento ("Tenebrae") und anderen. Ein Gespräch mit Marc Weis und Martin De Mattia

Sie möchten wie eine Person in diesem Interview zitiert werden. Erzählen Sie etwas über diese Künstlerfigur M+M.
M+M ist keine Privatperson, sondern ein Künstlerkollektiv und arbeitet häufig mit Leuten ganz unterscheidlicher Disziplinen zusammen. Seit 1994 gibt es das Duo M+M. Während unseres Kunststudiums haben wir viele Filme gemeinsam angesehen, darüber diskutiert und daraufhin künstlerisch gemeinsam experimentiert.

Womit hat die neue Arbeit "7 Tage" angefangen?
Mit dem "Montag" - vor sieben Jahren! Die Idee war, sich stärker als zuvor mit den psychischen Aspekten von Familie auseinanderzusetzen. Wir haben zunächst nach einem alltäglichen Dialog gesucht, der aber eine gewisse Tiefendimension besitzt, und stießen auf das zwischen Normalität und beginnendem Wahnsinn changierende Vater-Sohn-Gespräch aus Kubricks "Shining". Die frühe Szene findet im Film tatsächlich montags statt. Unser "Montag" und die darauffolgenden Tage sind allerdings wesentlich offener angelegt. Zunächst verdoppelten wir die Situation: Auf einer Leinwand sieht man Mann mit Frau, parallel dazu Vater mit Tochter. Der Dialog ist identisch. In dieser doppelten Sequenz steckt Zärtlichkeit, aber auch Gewalt und sogar die Andeutung von Pädophilie. Über sieben Jahre haben wir an den Doppelsequenzen dieser "Woche" weitergedreht, wenn uns die Produktionsmittel das erlaubten. Dabei irritiert vor allem, wie wechselhaft, ja paradox die Identität des Mannes erscheint, obwohl er immer von Christoph Luser gespielt wird.

Bis auf die einsame Autofahrt am Mittwoch gibt es immer eine zweite Hauptfigur in den sieben Filmpaaren. Der zweite Charakter ist auf der linken und rechten Leinwand ausgetauscht. Am Dienstag wird der Protagonist im Barbershop rasiert, einmal von einem Mann, einmal von einer Frau. Sie führen denselben Dialog, aber sogar Luser ist im Ausdruck unterschiedlich, als wären Tage zwischen den Drehs vergangen.
Eben nicht. Wir haben wenn möglich Take für Take aus praktischen Gründen im Wechsel gedreht. Christoph Luser hat die Fähigkeit, schnell die geforderte Stimmung abzurufen. Ohnehin präsentieren die "7 Tage" einen Helden mit ganz unterschiedlichen Facetten, der massgeblich von seinem Umfeld geprägt wird. Oder anders: Als würde Clint Eastwood in einem "Dirty Harry"-Film seine Persönlichkeit wechseln, je nach Setting und Dialogpartnern.

Woher kommt die Aufspaltung filmischer Situation wider die Realität?
Das Verfahren hängt einerseits mit unserer  Zapp-Kultur zusammen und der damit einhergehenden veränderten Zeitwahrnehmung. Die widerspricht einer klassischen linearen Erzählweise. Uns inspirierte aber auch die Verräumlichung von Erzählung mit ihrem Potential synchroner Querverweise, wie sie zum Beispiel schon in Giottos Fresken vor 700 Jahren stattfindet.

Das Familienthema zieht sich durch, es gibt Motive wie das Rasiermesser, mit dem am Freitag eine junge und parallel eine alte Frau ermordet werden. Die "7 Tage" schwanken zwischen Chronologie und multipler Struktur. Heißt das: Identität existiert nicht mehr?
Würden wir nicht sagen. Aber Identität ist reichhaltiger und unvorhersehbarer, als es das Mainstreamkino behauptet.

Reizt es Sie nicht, einen Kinofilm zu produzieren?
Wir nähren uns vom Kino, aber unsere Werke beziehungsweise unsere Synchronerzählungen bewegen sich in eine andere Richtung. Kino und Fernsehen erstarren zunehmend in ihren Konventionen. Wenn wir jetzt einen Antrag zur klassischen Filmförderung stellen würden, könnten wir in ein Fahrwasser geraten, in das wir nie wollten.

Trotzdem stellt sich bei den "7 Tagen" ein Kino-Feeling ein. Sie sind Technik-Freaks?
Gar nicht. Aber hier war uns der Film-Look wichtig. Wie schon bei "Schlagende Wetter" haben wir die "7 Tage" auf 16mm-Material gedreht. Wir benutzten die Farbnuancen, die Weichheit, das Filmkorn bewusst als Anklang an die 60er- und 70er-Jahre. Bei unserer Episode im "Stachel des Skorpions"…

… der von Ihnen initiierten Gemeinschaftsarbeit als Hommage an Buñuels "Das goldene Zeitalter" (1930) mit weiteren Beiträgen von Tobias Zielony, Chicks on Speed, Keren Cytter, Julian Rosefeldt und John Bock …
… haben wir die Nachtaufnahmen von Birgit Minichmayr und Christoph Luser dagegen mit einer digitalen Alexa Night Kamera gedreht, die speziell für uns angepasst wurde. Aber wir verlassen uns beim Dreh auf ein gutes Team. Selber sind wir überhaupt keine Fachleute: Wer ein Problem mit der Technik hat, kommt besser nicht zu uns!