Karlsruhe ist bei bestem Willen keine Metropole - außer in Sachen Medienkunst. Da kann Deutschlands erste und einzige "Unesco City of Media Arts" sehr wohl auf der Weltbühne mitspielen. Besonders das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) und die Hochschule für Gestaltung (HfG) leisten in diesem Bereich seit Jahrzehnten wertvolle Arbeit. Seit 2015 strahlt in Karlsruhe ein weiteres Highlight: die Schlosslichtspiele.
Das ZKM ist mehr als einen Besuch wert, hohe Eintrittspreise und finstere Ausstellungsräume halten dennoch viele Menschen von einem Besuch ab. Gerade im Sommer, wenn sich Karlsruhe fast mediterran anfühlt, kann die "XXL-Black-Box" eher abschreckend wirken. Das bemerkte offenbar auch der ehemalige, 2023 verstorbene künstlerisch-wissenschaftliche Vorstand des Hauses, Peter Weibel. Zum 300. Stadtgeburtstag gründete er die Lichtspiele auf dem ganzjährig vielbesuchten Schlossplatz - im einzig wahren Zentrum der Fächerstadt?
Ursprünglich sollte die Aktion nur einen Sommer dauern, wegen der positiven Resonanz beschloss der Gemeinderat jedoch eine dauerhafte Fortsetzung mit Unterstützung der Karlsruhe Marketing und Event GmbH. Sponsoren und Geschäftspartner aus der Region (unter anderem die BBBank und Dm) helfen ebenfalls mit. 2025 findet das Kunst-Event bereits zum zehnten Mal statt. Der Eintritt ist nach wie vor kostenfrei - nur die Bierpreise haben angezogen. Was erwartet das Publikum vor Ort?
Eine heitere Partymeile
Tagsüber bilden das Schloss und der breite Grünstreifen davor ein hübsches Postkartenmotiv; gegen Abend, wenn das Lichtspektakel beginnt, entfaltet sich vor Karlsruhes Wahrzeichen eine heitere Partymeile mit Public-Viewing-Atmosphäre, wie man sie sonst nur von der Fußball-WM kennt. Laut Veranstalter kommen jedes Jahr rund 250.000 Besucherinnen und Besucher, nicht wenige davon mit Campingstühlen und Snacks - perfekt gewappnet für einen bis zu dreistündigen Lichtshow-Marathon unter freiem Himmel.
Die barocke Schlossfassade dient dabei als Leinwand für die Arbeiten der teilnehmenden Medienkünstlerinnen und -künstler. Nach Einbruch der Dunkelheit bringen sie das Mauerwerk durch modernste Lichttechnik und KI-generierte Animationen in Bewegung wie die Steine eines Zauberwürfels.
Unter dem Motto "The Shining Lights of Science" laufen dieses Jahr mehrere neue Shows. Das 200-jährige Bestehen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bietet einen Anlass für die Verbindung von Kunst und Wissenschaft, die laut Weibels Nachfolger Alistair Hudson "Hand in Hand" gehen. Wie das in der Praxis gelingt, zeigt die Arbeit "Science for Impact" von Los Romeras. Die spanische Künstlergruppe wurde vom KIT beauftragt, die Themenfelder der traditionsreichen Exzellenzuniversität zu visualisieren.
Tanzlaune auf dem Schlossplatz
Bilder von grünen Smart Cities, humanoiden Robotern und fliegenden Autos führen das Publikum durch eine verlockende Technik-Utopie. Teilweise wirkt das mehr wie ein Imagefilm als ein Kunstwerk, am Ende erhält die bildgewaltige Projektion trotzdem Applaus. Die Arbeit "The Tao. The Flow of the Universe" von SKG+ aus Shenzhen kommt bisher ähnlich gut an. Inspiriert vom Daoismus entwickelte SKG+ eine rhythmische, schwarz-weiße Komposition aus chinesischen Symbolen und geometrischen Figuren. "λ (Waves of Matters)" von VPM (Joan Nieto Paulo und Javier Cañal Sanchez) spielt dagegen mit lichtästhetischen Elementen aus der Technokultur und sorgt für Tanzlaune auf dem Schlossplatz.
Allerdings kann nicht jeder Beitrag gleichermaßen überzeugen. Schön anzusehen sind sie alle, nur inhaltlich werden einzelne schon nach wenigen Augenblicken langweilig. Aber vielleicht geht es bei der ganzen Sache auch nicht darum, immer etwas Atemberaubendes auf die Fassade zu zaubern, sondern mehr um das Wir-Gefühl unter den Besucherinnen und Besuchern. Wo sonst - außer im Fußballstadion - begegnen sich heute Menschen aller Alters- und Gehaltsstufen, um das gleiche Erlebnis zu teilen?
Peter Weibel, das ZKM und die Stadt Karlsruhe haben mit den Schlosslichtspielen also ein wirklich öffentliches Kunst-Festival ins Leben gerufen, das die Zuschauenden von überallher für Medienkunst begeistert. Aber müssen die restlichen elf Monate des Jahres nicht auch irgendwie mit Kultur gefüllt werden?
Die kleineren Räume trifft es am härtesten
Diesen Job erledigen in Karlsruhe oft kleinere Kulturräume und Vereine, zum Beispiel das Kohi, das Sandkorn-Theater oder die Kinemathek. Aktuell müssen quasi alle Kultureinrichtungen in der Region mit drastischen Kürzungen rechnen, weniger renommierte Häuser trifft es jedoch härter als die Flaggschiffe. Eine Petition des Karlsruher Kulturrings weist darauf hin, dass rund 90 Prozent des städtischen Kulturetats in nur drei Großinstitutionen fließen: das ZKM, die Volkshochschule und das Badische Staatstheater. Viele andere bangen derweil um ihre Existenz.
Wie es mit der lokalen Kulturszene weitergeht, könnte auch vom Ergebnis der Landtagswahlen im März 2026 abhängen. Schließlich werden einige Vorhaben, wie etwa die kostenaufwendige Sanierung des Theaters, vom Land mitgetragen. Bis dahin heißt es nach Überzeugung der Kulturszene eifrig Unterschriften sammeln oder direkt an die Einrichtungen spenden. Sonst könnten bald selbst am Schloss die Lichter ausgehen.
Der Medienkünstler Holger Förterer war mit seiner Arbeit "Epilog" bei der ersten Ausgabe der Lichtspiele dabei; seitdem ist er Fan. Ein Ende der Aktion würde er bedauern. "Die Schlosslichtspiele sind für die Karlsruher jedes Jahr ein Fest. Es ist toll, dass die Einwohner sie als Teil der Stadtkultur angenommen haben. Ich fühle mich jedenfalls sehr geehrt, bei diesem gelungenen Experiment dabei gewesen zu sein und hoffe, dass wir noch viele Jahre lang neue, interessante Produktionen erleben dürfen."
Noch mehr Medienkunst in der Stadt
Die Schlosslichtspiele beginnen jeden Abend um 20.15 Uhr, die finale Vorstellung findet am 14. September statt - am gleichen Datum wie der bundesweite Tag des offenen Denkmals. Daran beteiligen sich mehrere Karlsruher Institutionen, unter anderem bietet der Badische Kunstverein fußläufig zum Schloss eine kostenlose Führung durch sein historisches Gebäude an.
Außerdem läuft parallel zu den Lichtspielen die Open-Air-Ausstellung "Media art is here" in der Innenstadt. Insgesamt elf Kunstwerke sind zu finden, darunter auch Beiträge von Studierenden der HfG, zum Beispiel "Lagrange" von Jihye Jang im Eingangsbereich der Kinemathek.
Den Höhepunkt liefert eine allabendliche Lichtinstallation von Maxin10sity. Das ungarische Künstlerkollektiv wirkte in den letzten Jahren schon mehrfach an den Schlosslichtspielen mit, diesmal verwandeln die Mitglieder das Innere der evangelischen Stadtkirche in einen Kunstraum.