Filmfestspiele

Showdown auf der Berlinale

Großes Kino, genialer Trash, harte Themen: Eine Vorschau auf Filmpremieren und Kunstwerke der 69. Berlinale

Man kennt diese lonesome rider, die im Westernfinale dem Horizont entgegentraben, und die Sonne steht tief. Wahrscheinlich sieht’s bei Dieter Kosslick, dem scheidenden Berlinale-Chef, bei der Abschlussgala seiner letzten Filmfestspiele etwas anders aus. Ohne Pferd, aber mit ein paar richtig guten Kosslick-Pointen, bevor er den Stab nach 18 Jahren an Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek abgibt - eine überfällige Doppelspitze aus künstlerischem Leiter und Geschäftsführerin.

Ein letztes Mal haben sich Kosslick und Team wieder richtig ins Zeug gelegt für ein vielversprechendes Wettbewerbsprogramm. Wie es sich für ein A-Festival gehört, scheint die Mischung aus bekannten Namen und Newcomern wieder zu stimmen. Über "Öndög", den Festivalfilm mit dem inspirierenden Bild mit Pferd, Frau und Horizont, wissen wir nicht viel. Immerhin das: Quan’an Wang siedelt seinen Film wieder in der Mongolei an, wie auch "Tuvas Hochzeit", mit dem der chinesische Regisseur 2007 den Goldenen Bären gewann.

"Der Goldene Handschuh", Regie Fatih Akin

Fatih Akin, Bärensieger von 2004 mit "Gegen die Wand", will die Jury - diesmal geleitet von Juliette Binoche - mit der Heinz-Strunk-Verfilmung "Der Goldene Handschuh" überzeugen. Jonas Dassler spielt den Frauenmörder Fritz Honka, der in den 70er-Jahren Hamburg in Angst und Schrecken versetzte.

"Grâce à dieu" von François Ozon

François Ozon packt ebenfalls ein hartes Thema an mit "Grâce à Dieu", einer wahren Missbrauchsgeschichte aus Lyon. Der Prozess um den Kardinal, dem vorgeworfen wird, die sexuellen Übergriffe durch einen Priester - eine Figur in Ozons Drama - vertuscht zu haben, begann erst im Januar.

"Mr. Jones", Regie: Agnieszka Holland

Auch die Titelfigur von Agnieszka Hollands "Mr. Jones" hat wirklich existiert - ein britischer Journalist, der in den 30ern über die Hungersnot in der Ukraine berichtet, verursacht von der Politik Josef Stalins.

"Elisa y Marcela", Regie: Isabel Coixet

Neben Holland und ihrer Kollegin Lone Scherfig, die mit "The Kindness of Strangers" die Berlinale heute Abend eröffnet, sind noch fünf weitere Regisseurinnen im Wettbewerb dabei. Sieben von 17 Filmen für die Bärenwahl stammen von Frauen, das ist – verglichen mit Cannes und Venedig – ein sehr guter Schnitt. Im Zeichen von Filmemacherinnen steht überdies auch die Retrospektive dieses Jahrgangs. Unter dem Titel "Selbstbestimmt" sind 26 deutsche Spiel- und Dokumentarfilme von Frauen zu sehen, die zwischen 1968 und 1999 entstanden sind.

Der Verbindung von Kino und bildender Kunst widmet sich wieder das Forum Expanded, das seine Gruppenschau erstmals im Silent Green Kulturquartier im Wedding veranstaltet. Unter der homerisch anmutendenÜberschrift "ANTIKINO (The Siren’s Echo Chamber)" soll gezeigt werden, wie man den verlockenden Sirenengesängen, Klischees und Feedback-Loops des medialen Mainstreams entkommen kann.

"Transformation Scenario" von Clemens von Wedemeyer

Clemens von Wedemeyer beschäftigt sich in der Installation "Transformation Scenario" mit Simulationen aus Filmen und Videospielen und ihrem Einfluss auf die Gesellschaft. 

"Diver" von Monira Al Qadiri

Monira Al Qadiri erinnert mit einer Videoinstallation an die Perlenfischerei am Persischen Golf, die im 20. Jahrhundert durch die Ölindustrie verdrängt wurde.

"Prison Architect" von Cao Fei

Die Forum-Expanded-Filme werden in der Kuppelhalle des Silent Green gezeigt. In dem Essayfilm "Prison Architect" von Cao Fei treten ein Häftling und eine Architektin auf, die in einem Knast in Hongkong einen philosophischen Dialog führen - über das Verhältnis von Mensch, Welt und Freiheit. 

"Shayne" von Stephan Geene

Von dem Künstler und ehemaligen Kurator der Berliner Kunst-Werke, Stephan Geene, ist kaum ein klassisches Star-Porträt zu erwarten. Ricky Shayne, 1944 in Kairo geboren, in Beirut aufgewachsen, rockte zwischen 1967 und 1972 die bundesdeutschen Hitparaden. In "Shayne" kommt wiederum eine Architektin vor, die für die Comeback-Gala des Schlagersängers ein Ruinenset entwerfen will.

"DADDA - Poodle House Saloon" von Paul und Damon McCarthy

In einer Saloonkulisse tobt sich Trash-Altmeister Paul McCarthy (mit seinem Sohn Damon) aus: In einer Neuinterpretation von John Fords Western "Stagecoach" von 1939 setzt McCarthy in "DADDA – Poodle House Saloon" sechs Charaktere in eine Postkutsche und schickt sie auf einen Psychotrip, bei dem am Ende erwartungsgemäß sämtliche Konventionen über Bord geworfen werden. John Wayne, Fords bevorzugter Cowboy, wäre über diesen Höllenritt wohl kaum begeistert.