"FeMale" Accrochage mit 20 Künstlerinnen und Künstlern der Galerie
Männer auf der einen Seite, im Selbstportrait, stark, aufrecht, en face; das Bildnis eines Zeitgenossen um die Ecke, er wiederum gefühlvoll, mit geschlossenen Augen, nacktem Oberkörper; gegenüber der weibliche Akt, Intimität ist das Thema, das Erfassen des Körpers in jeder Pore, mal sexualisiert, extrovertiert, mal anmutig in sich gekehrt. Dort sorgt der selbstbewusste Blick einer Berliner Göre für Aufmerksamkeit, dahingegen braucht der scheue Moment vielleicht eines Transvestiten mehr Nähe. Welches Motiv fließt aus welcher Hand, der der Frau oder der des Mannes, das soll uns hier und heute interessieren; und, es geht auch um Gleichberechtigung. Vorneweg: So einfach ist das nicht. In diesen unseren Zeiten, nach Aufklärung, Emanzipation, den „Golden Twenties“, „Flower Power“, einem inzwischen Blüten treibenden Feminismus finden wir uns wieder in einer, ja, ich will fast meinen Geschlechts-neutralen Gesellschaft. Wir stecken fest, nicht nur zeitlich, auch idealistisch, zwischen Generation Z und Gen Alpha, sind feministisch, unbedingt, nicht nur als Frau, und unterziehen uns selbstbewusst wie zeitgeistig dem Mann-Frau-Divers-Test, egal ob X- oder Y-Chromosom-Träger! In diesem ganzen Wahnsinn um das richtige Geschlecht freilich, sind wir mal ganz ehrlich, sollten alle entsprechenden Eigenschaften für ein solches sehr wohl definiert sein - wie auch sollte man sich sonst entscheiden, für das eine oder andere Geschlecht? Ist das dann eben divers? Und hier sind wir, back again, mitten im Ranking der weiblichen, männlichen und diversen Attribute. Doch, steht Blau noch für männlich, und Rosa für weiblich? Was trägt divers? Lila? Das wilde Karussell der geschlechtsspezifischen Fragestellungen dreht sich weiter, unabdinglich. Schwindelig könnte es einem werden, fast sehnte man sich zurück, in die guten alten Zeiten eines noch frischen Georg Baselitz, der, sicherlich ein schwieriger Zeitgenosse, so doch begnadeter, radikaler, konsequenter Künstler mit strikten Ansichten war und ist. „Wissen Sie, in der Kunst gibt es heute diesen Hang, sich möglichst weit zu öffnen – indem man sich nicht mit anderen Welten vergleicht, sondern sich darin einverleibt. Andere Kulturen, Altersgruppen, Geschlechter – dieses große 'Wir sind doch alle Menschen'. Das ist mir äußerst suspekt. Ich beharre darauf: Bleib Weiß und bleib Schwarz, bleib Frau und bleib Mann, bleib deutsch und bleib Russe!" Soweit so gut. Es wundert nicht, dass eben dieser große Baselitz auch für den Satz verantwortlich zeichnet: „Frauen können nicht so gut malen wie Männer“, den der gebürtige Sachse, inzwischen 87-jährig, zu seinem 85. Geburtstag seiner Nachwelt hinterlassen hat, bezugnehmend, so wollen wir hoffen, vor allem auf Stärke, Aggression, Triebhaftigkeit. Doch selbst Baselitz spreche, ich zitiere Georg Reinhardt, „dem weiblichen Körper eine spirituelle Existenz“ zu, die „die Frau zum Sinnbild für die Anverwandlung der Seele macht“. Zurück zur Frau der Frau im Bild. Elvira Bach, Berliner Malerin inzwischen zigtausender vermeintlich klischeehafter Frauen, das seit den siebziger Jahren. Margarethe Jochimsen urteilt: „Diese Stillleben sind Ansammlungen jener Utensilien und Accessoires, derer sie als Frau tagtäglich bedurfte und über die sich zu definieren ihr sichtlich Freude machte: Lippenstifte, Puderdose, Zigaretten, etc. … .“ Bach ist ungeschlagen das künstlerische Zugpferd der Emanzipation in den deutschdeutschen 1980er Jahren; sie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Frauen mit tiefem Dekolleté und Makeup sehr wohl ihren erfolgreichen Mann stehen können. Ähnlich Marion Eichmann aus Berlin, mindestens eine Generation jünger; sie, zwar der Post-Pop-Art verschrieben, schenkt uns einen, ihren Spitzen-BH aus Papier, einen filigranen Scherenschnitt hinter Glas - mit ihrem Konterfei daneben -, ganz selbstverständlich, als eine Art modernes Hoheitszeichen. Karin Kneffel, weltbekannt für ihre spooky Interieurs, foto- bis hyperrealistisch, die zunächst harmonisch, dann aber doch in die unheimliche Irre führen. Perfekt. Und mit eben diesem Perfektionismus nimmt die Düsseldorferin, die berühmte Meisterschülerin von Gerhard Richter, die Rolle von Mutter und Kind unter die Lupe, in Form stilisierter, spätgotischer Madonnen, fein in Öl auf Leinwand. Der Vater, Joseph, kommt nicht vor. Conny Schleime, rotzig-punkige Künstlerin aus Ost-Berlin, inzwischen über 70 Jahre, im Übrigen auch Sängerin wie passionierte Performance-Künstlerin, spielt seit jeher mit den Rollen, deren Fassade, mit Maskierung. Dass bei ihr die Frau männlich frech daher kommt, aufmüpfig, mit Haaren auf den Zähnen, oder, der Mann - en contraire - als zart besaiteter Transvestit, sind wir bei Schleime lange schon gewohnt. Auch Corinne von Lebusa, um einiges jünger, Meistschülerin von Neo Rauch aus Leipzig, spielt mit den Geschlechter-Rollen, meist, wen wundert's, dominiert die Frau das Spiel um Erotik, Anziehung, Verführung, aber auch das Spiel um Macht und partnerschaftliche Regentschaft, sie hält das Zepter in Händen. Ganz anders Markus Oehlen, einst legendärer Professor an der Akademie der Bildenden Künste München. Er konzipiert, berechnet, projiziert seine Kompositionen auf Leinwand, surreale Überlagerungen, abstrakt-figurative Gebilde, lässt emotionale Verstrickungen, Gefühlsduseleien rational entstehen. Hier beispielsweise sitzt Venus am PC, vor einer idealisierten Gebirgslandschaft im Sunset. „Mirrored“, so der Titel, greift mehr oder weniger das, ein Motiv für virtuelle Selbstdarstellung im WorldWideWeb auf; genau betrachtet nämlich ist Venus, der weibliche Akt, verpixelt, virtuell: Wir stehen also vor einem Bild im Bild – vor der männlich geprägten Wunschvorstellung der Frau? Oder, einer satirisch überhöhten Web-Schönheit, die einem Ideal entsprechen muss? Sinnbild für den Instagram gesteuerten Schönheitswahn? Who knows. Karl Horst Hödicke, der alte Patriarch, Ur-Vater der Jungen Wilden, weise, mild, politisch, Familienmensch, lächelt zeitgleich siegessicher von seinem letzten übergroßen Selbstbildnis 2024. Der eine geht, der andere kommt, wir befinden uns im Fluss. Bei uns im Kuppelsaal dieses Abends auch treffen Sie auf einstürzende Neubauten, Wolkenkratzer, in Pappmaché an der Wand oder im Raum – ein Phallus-Symbol? Womöglich, danke an Martin Spengler aus München. Wir werden zudem von den dick pastosen Landschaften von Christopher Lehmpfuhl aus Berlin erschlagen, der eigens mit seinen Händen mannsgewaltig die Farbe aus dem Kübel auf Leinwand packt, plein air, draußen, bei Hitze oder Kälte, in der Natur. Sein aufragendes Gebirge – ein Monument der Männlichkeit? Vielleicht. Dass Frauen in der Bildenden Kunst Jahrhunderte lang in der absoluten Unterzahl waren, teils wie absorbiert galten, überhaupt nicht auftauchten, ist allseits bekannt. Artemisia Gentileschi, Angelika Kaufmann, Paula Modersohn-Becker, Gabriele Münter sind eine der ganz wenigen prominenten weiblichen Vertreterinnen. Heute, Gott sei Dank, sind wir dabei, das zu ändern. Obwohl die Männer immer noch den internationalen Kunstmarkt dominieren, der prozentuale Anteil an Künstlerinnen in Museen auf 11 Prozent angestiegen ist, sich innerhalb der letzten fünf Jahre immerhin doch verdoppelt hat, ist Frau heute gut dran: Vorzugsweise dürfen Frauen, neben queeren Menschen und Schwarzen, „People of Color“, im Jahr 2025 in die ganz großen Museen. Spiegel unserer Zeit? In jedem Fall. In jedem Fall auch darunter, unter dem Künstler-Portfolio unserer brandneuen Accrochage, sind folgende 20 Frauen und Männer, Künstler-Duos aus Ost- und Westdeutschland, das mit überwiegend neuen Gemälden, Zeichnungen, Papierarbeiten, Druckgrafiken, Reliefs, Skulpturen und Plastiken: Albrecht/Wilke, Elvira Bach, Georg Baselitz, Katrin Brause, Martin Eder, Marion Eichmann, Karl Horst Hödicke, Karin Kneffel, Carolin Knoth, Mehmet & Kazim, Christopher Lehmpfuhl, Karin Müller-Wohlfahrt alias Karen Lakar, Markus Oehlen, A. R. Penck, Claudia Rößger, Cornelia Schleime, Martin Spengler, Walter Stöhrer, Marina Schulze und Corinne von Lebusa. Sie finden weibliche, männliche, womöglich auch diverse Handschriften, eben genau das ist vielleicht nicht mehr deutlich zu lesen; expressiver, neoexpressionistischer, surrealer, fotorealistischer wie abstrakter Art, auch plastischer, skulpturaler – kleiner Tipp, rechts die Boys, links die Girls, wie einst noch in der katholischen Kirche, nur, eben anders…
Text: Wilma Sedelmeier