Pauline M'barek – Undichte Dinge
––– English version below –––
“There are tides in our body.”
(Virginia Woolf, Mrs Dalloway, 2000: S. 124)
Ausgehend von der Materialität des eigenen Körpers, seiner Porosität und der Flüssigkeiten, die ihn in ständigen Austausch mit seiner Umwelt bringen, untersuchen Pauline M’bareks neue Arbeiten den menschlichen Körper als Kontaktfläche zwischen Selbst und Welt.
Die Ausstellung Undichte Dinge zeigt eine neue Rauminstallation mit Objekten, Videos und Fotoarbeiten, die in Form von Mikrosensationen, ephemeren Ereignissen und prozessualen Stadien das Durchlässige und Instabile der eigenen Wahrnehmung in den Mittelpunkt rückt. Zentral ist dabei die Hinwendung zu Verfahren, welche die Distanz zwischen Körper und Umwelt maximal verringern.
Pauline M’barek unternimmt verschiedene Selbst-Experimente, die Porosität erfahrbar und darstellbar machen. Unter Rückgriff auf die Geschichte der Mikroskopie, der antiken Naturphilosophie und des feministischen Materialismus unternimmt sie materielle und phänomenologische Annäherungen an den Körper, der zugleich Objekt und Subjekt der Untersuchung ist, und fasst Verkörperung als eine unablässige Form des Werdens auf.
Die Ausstellung wählt bewusst experimentelle Formen, in denen nicht abgeschlossene Werke, sondern transitorische Etappen einer im Fluss befindlichen künstlerischen Recherche im Vordergrund stehen. Ebenso wie hier Körper als Ort von Austausch und Durchquerung aufgefasst werden, sind auch die Arbeiten nicht als klar abgegrenzte und abgeschlossene Entitäten zu begreifen, sondern als eine offene Anordnung miteinander kommunizierender Formen – als undichte Dinge.
Körperlichkeit ist transitiv, sie geht über sich hinaus, steht in Verbindung mit anderen Körpern. Die Erfahrung und Wahrnehmung der Porosität des Körpers durch die Sinne ist in Pauline M’bareks Arbeit der Gegenstand der Untersuchung, wobei sie immer zugleich die persönlichen und politischen, materiellen und semiotischen Dimensionen verschränkt. So interessiert sie sich für die Übergangsstadien und Zwischenräume, in denen Materien sich bis zur Ununterscheidbarkeit mit anderen, flüssigen und festen Körpern verbinden. Körper werden hier als fleischig, tropfend, und überbordend aufgefasst, oder von Licht durchflutet gezeigt. Ihre Grenzen erweisen sich als durchlässig und verletzlich; sie stehen im wörtlichen Sinn im Stoffwechsel mit ihrer Umwelt.
Flüssigkeiten spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Nicht nur bestehen menschliche Körper zu großen Bestandteilen aus Wasser. Es sind ebenfalls Flüssigkeiten, die sie in Austausch mit ihrer Umwelt bringen. Wie Astrida Neimanis Buch Bodies of Water (2020) eindrucksvoll zeigt, bringt die Idee einer „wässrigen Körperlichkeit“, die in Pauline M’bareks Recherche in vielfacher Form präsent ist, das bestimmende humanistische Verständnis von Verkörperung als autonomer, kohärenter und klar voneinander abgegrenzter Individuen ins Wanken.
Vielmehr geht es hier um Körper als durchlässige Systeme, die atmen, tränen, und schwitzen, die von Umweltphänomenen wie Licht und Flüssigkeiten affiziert werden, und die selbst verändert auf Stoffe wirken und Spuren hinterlassen.
––– Auszug aus dem Pressetext von Lotte Arndt
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"There are tides in our body."
(Virginia Woolf, Mrs Dalloway, 2000: p. 124)
Starting from the materiality of one's own body, its porosity and the fluids that bring it into constant exchange with its environment, Pauline M’barek's new works examine the human body as a sensitive interface between the self and the world.
The exhibition Leaky Things shows a new spatial installation with objects, videos and photographic works, which focus on the permeable and unstable character of one's own perception in the form of microsensations, ephemeral events and processual stages. The work relies on procedures that aim to reduce as far as possible the distance between the body and its environment.
Pauline M'barek undertakes various self-experiments that make porosity tangible and representable. Drawing on the history of microscopy, ancient natural philosophy, and feminist materialism, she favors material and phenomenological approaches to the body, which is both object and subject of inquiry, and conceives of embodiment as an incessant form of becoming. The exhibition deliberately chooses experimental forms, foregrounding not completed works but transitory stages of artistic research in flux. Just as bodies are conceived here as sites of exchange and traversal, so too the works are not to be understood as clearly delineated and self-contained entities, but as an open arrangement of communicating forms - as leaky things.
Corporeality is transitive, it goes beyond itself, is in connection with other bodies. The experience and perception of the porosity of the body through the senses is the subject of investigation in Pauline M’barek's work, always simultaneously interweaving the personal and political, material and semiotic dimensions. Thus, she is interested in the transitional stages and interstices in which matter combines to the point of indistinguishability with other bodies, liquid and solid. Bodies are conceived here as fleshy, dripping, and overflowing, or shown flooded with light. Their boundaries prove to be permeable and vulnerable; they are literally engaged in metabolism with their environment.
Fluids play a particularly important role here. Not only do human bodies consist mainly of water. It is also fluids that bring them into exchange with their environment. As Astrida Neimanis’ book Bodies of Water (2020) impressively demonstrates, the idea of a "watery corporeality," present in multiple forms in Pauline M'barek's research, upsets the defining humanist understanding of embodiment as autonomous, coherent, and clearly delineated individuals.
Rather, the focus here is on bodies as permeable systems that breathe, tear, and sweat. They are affected by environmental phenomena such as light and fluids, and, in an altered state, act upon substances and leave traces.
––– Excerpt from the press text by Lotte Arndt