RE-ASSEMBLY

Die multidisziplinäre Künstlerin Jane Benson ist bekannt für ihre Eingriffe in vorgefundene Objekte, Literatur und Kunstwerke, deren Bedeutungsspektrum sie durch neue Kontextualisierungen erforscht und erweitert. In der aktuellen Ausstellung „Re-Assembly“ in der Galerie PRISKA PASQUER hinterfragt die Künstlerin einen aktuellen illusionistischen Trend. Die einen oder anderen werden ihn bereits bemerkt haben: Künstliche Pflanzen sind en vogue. Früher waren sie verpönt und galten als stillos par excellence. Heute dekorieren die Kopien geschmackvoll eingerichtete Wohnräume. Erst nach mehrfachem Hinsehen (und fühlen) lässt sich die Täuschung aufdecken. Die Natur wird nicht nur repräsentiert, sondern imitiert, wodurch Wirklichkeit und Fiktion derartig ineinander übergehen, dass sie ununterscheidbar werden.
In der Schau stellt Benson die künstlich erzeugte Erfahrbarkeit des Realen auf den Prüfstand, indem sie die Galerieräume in eine minimalistische Oase verwandelt. Doch auf den zweiten Blick offenbart sich die natürliche Szenerie im doppelten Sinne als künstlich. Zu perfekt bettet sich die Pflanzenwelt in die unnatürliche Geometrie ihrer architektonischen Umgebung ein und imitiert sie auf eine nahezu komische Art und Weise.
In ihrer Serie „Faux-Faux“ hebt Benson die Einswerdung von Realität und Fiktion auf, die die künstliche Flora perfekt suggeriert, indem sie die Blätter in geometrische, unnatürliche Formen wie Dreiecke oder Quadrate schneidet. Der Prozess der Transformation wird sichtbar, wodurch der in Serie produzierten Flora eine jeweils eigene Individualität verliehen wird.
So wie in der Natur auch, wird jedes Detail einzigartig. Kein Element ist mehr deckungsgleich, wodurch die Künstlerin eine "authentischere" Wiedergabe der illusorischen Natur schafft.
Eine Serie von Schwarz-Weiß-Abzügen ergänzt das skulpturale Ensemble. Sie zeigen die Silhouetten der Neukreationen. In ihrer Darstellung erinnern die Bilder an viktorianische Scherenschnitte und Fotogramme, die aus dem Wunsch einer naturgetreuen Abbildung entstanden. Anders als bei der Fotografie wird bei einem Fotogramm keine Kamera geraucht. Das lichtempfindliche Papier wird direkt belichtet, wodurch sich die unbedeckten Flächen des Papiers dunkel verfärben. Somit ist jedes Bild ein Unikat. Damit verstärken Bensons Fotografien das Spiel der Maskerade einmal mehr und zeigen, dass die Wahrnehmbarkeit des Realen mit einer Vielzahl von simulierten Gesten einhergeht.
Ohne zynisch zu werden, stößt uns die Künstlerin auf die Absurdität der falschen Grünlinge und bringt uns dazu, kulturell akzeptierte Objekte und Ideen neu zu betrachten. Benson knüpft an den Soziologen und Philosophen Jean Baudrillard an, der er in den 1970er Jahren im Kontext der seriellen Produktion die Ununterscheidbarkeit von Bild und Wirklichkeit voraussagte. Durch den Akt der Vortäuschung wird etwas als gegeben dargestellt, das so nicht existiert. Vor dieser Folie schlägt Benson eine Alternative vor und macht die künstliche Pflanzenwelt zu dem was sie ist: Zu einer Neuschöpfung von Wirklichkeit.
Text: Dr. Wiebke Hahn
Jane Benson (*1973 in Thornbury, England, lebt und arbeitet in New York)
Jane Benson arbeitet in verschiedenen Medien wie Skulptur, Video, Sound, Digitaldruck und Installation, die sie oftmals in sehr eigenwilliger Form miteinander verschränkt. Ihre Arbeiten befassen sich mit Zerstörung, Verlust und Neuerfindung, wobei sie klassische Systeme der Kategorisierung destabilisiert und unterwandert, um neue Wege des Sehens und Betrachtens zu eröffnen und verborgene Potenziale hervorzukehren. Sie hat international ausgestellt, unter anderem im Kunstmuseum Bonn, Deutschland; in der Manchester Art Gallery, Großbritannien; im Tang Teaching Museum, Saratoga Springs, NY; im MoMA PS1, New York; im Boca Raton Museum of Art; im SculptureCenter, Long Island City, New York; im Henry Street Settlement: Abrons Art Center, NYC, Socrates Sculpture Park, Long Island City, New York; das Institute of Contemporary Art, Philadelphia und die Kunsthalle Emden. Jüngste Einzelausstellungen fanden in der Paula Cooper Gallery, Palm Beach, Florida, und im Contemporary Arts Center, Cincinnati, statt.