Kulturarbeit

Sichtbarkeit allein ist kein Zahlungsmittel

Yay, ein neuer Auftrag für gar kein Geld, aber ein bisschen Sichtbarkeit für unsere Arbeit! So wie auf diesem Stockfoto wünschen sich viele Kulturproduzenten freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Foto: Sebastian Šoška auf Pixabay

Yay, ein neuer Auftrag für gar kein Geld, aber ein bisschen Sichtbarkeit für unsere Arbeit! So enthusiastisch wie auf diesem Stockfoto wünschen sich viele Kulturproduzenten freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Wer für den Kulturbetrieb Texte schreibt, Ausstellungen kuratiert oder Kunst macht, wird häufig gar nicht oder schlecht bezahlt. Es ist an der Zeit, dass offen darüber gesprochen wird, damit sich etwas ändert

Der Kulturbetrieb ist unterfinanziert. Das weiß jeder, der ein Teil davon ist. Darüber gesprochen wird selten. Vielleicht, weil das alles längst so selbstverständlich ist, weil es wenige feste Stellen und noch weniger gut bezahlte feste Stellen gibt. In der Hoffnung liegt also die Kraft. Wenn erst einmal genug kulturelles Kapital angesammelt ist, Projekte, Projekte, Projekte im Lebenslauf stehen, dann wird schon das lang ersehnte Angebot kommen. Und wenn endlich da ist, worauf man so lange hingearbeitet hat, ist man auch mit schlechter Bezahlung zufrieden. Hauptsache Bezahlung.

Umso erstaunlicher also ist, wenn doch nicht einmal nur hinter vorgehaltener Hand bei irgendeinem Opening die miesen Arbeitsbedingungen gemeinsam beklagt werden. Der Autor Chris Sharp hat kürzlich auf Facebook öffentlich gemacht, wie wenig das Centre Pompidou in Paris ihm für einen Katalogbeitrag zahlen wollte und wie die Geschichte schlussendlich ausgegangen ist:


Sharp verzichtete am Ende auf das Honorar von 280 Euro, weil er den Eindruck hatte, die Institution brauche das Geld dringender als er selbst. Zwinker, Zwinker. Jetzt könnte man natürlich zynisch anmerken, dass man sich im Kulturbetrieb freuen darf, wenn überhaupt mit Geld und nicht mit Sichtbarkeit bezahlt werden soll.


Auf die kurze Frage nach Honorar, etwa für Texte oder die Teilnahme an Podiumsdiskussionen, folgt oft eine sehr lange Antwort, in der ausführlich die Bedeutung der jeweiligen Veranstaltung oder des jeweiligen Events dargelegt wird und wie viel Aufmerksamkeit darüber für die eigene Person und Arbeit generiert werden.

Und wenn einen diese schlagkräftigen Argumente nicht überzeugen und man das Angebot nicht als Chance mit Blick auf eine steile Karriere annimmt, darf man sich sicher sein, dass man nicht das letzte Wort hat, denn: Aber es ist doch ein Geben und Nehmen. Oder: Keinen Bock? Oder: Wir dachten, das Thema interessiert Sie. Wer also nicht bereit ist, gratis oder für zu wenig Geld zu arbeiten, hat keinen Bock oder kein Interesse am Thema.

Das alles weiß ich natürlich nur aus zweiter Hand. Von Künstlern, Fotografen, Autoren und Kuratoren. Wer möchte schon der sein, der sich beschwert? Wer sich nämlich beschwert, ist kompliziert und erfolglos. Wer möchte schon ein Verliererkünstler sein? Warum sonst ist das Honorar so niedrig?

Transparenz hilft

Hier hilft nur Transparenz, um deutlich zu machen, dass es sich um strukturelles Problem handelt, von dem (fast) alle betroffen sind. The White Pube schafft deshalb maximale Transparenz. Gabrielle de la Puente und Zarina Muhammad, zwei britische Kunstkritikerinnen, legen ihre Einnahmen online in ihrem Magazin offen. In einer Tabelle vermerken sie ihre Aufträge, die Liste reicht zurück bis in das Jahr 2016.

Notiert wird der Auftraggeber, die Höhe des Honorars und ob die Kosten für Reise und Unterkunft übernommen werden. Das Honorar, das ist wenig überraschend, ist durchgängig sehr niedrig. Unter der Tabelle findet sich deshalb der Hinweis, dass es The White Pube aus einem einzigen Grund noch gibt: Weil einige Leser bereit sind, Geld über die Plattform Patreon zu spenden. Auch diese Einnahmen sind in der Liste vermerkt. Im August 2019 beispielsweise kamen so 700 Pfund zusammen.

Die sozialen Medien machen es denjenigen, die den Mut aufbringen, öffentlich auf Missstände aufmerksam zu machen, etwas einfacher. Chris Sharp beispielsweise bekam sofort viel Unterstützung und Zusprache. Mehrere Leute meldeten sich in den Kommentaren, die ähnliche Erfahrungen mit der Einrichtung gemacht haben. Man steht also plötzlich nicht mehr alleine da. So kann gar nicht erst der Eindruck entstehen, das Problem würde bei der jeweiligen Person liegen: Nicht bekannt genug, um überhaupt bezahlt werden zu müssen. Nicht erfahren genug, um Honorar angemessen verhandeln zu können. Nicht professionell genug, um mit Respekt behandelt zu werden.

Das System braucht ein Update

Und natürlich kann nicht die Lösung des Problems sein, dass jeder ständig negative Erfahrungen öffentlich machen muss. Das System braucht ein Update. Das ist längst klar. Nur: Wie kommen wir an dieses Update?

The White Pube beispielsweise haben in ihrer Liste vermerkt, dass sie unbezahlt keine Aufträge annehmen. Selbstverständlich, es gibt Projekte und Namen, die möchte man im Portfolio haben. Es gibt Institutionen und Veranstaltungen, da ist das Budget tatsächlich knapp. Bei Freunden ist es ein Geben und ein Nehmen.

Es darf aber nicht die Regel sein, dass Arbeit im Kulturbetrieb schlecht oder gar nicht erst vergütet werden muss, weil die Schlange so lang ist und sich immer jemand findet, der sogar dafür bezahlen würde, den Job für noch ein Projekt im CV machen zu dürfen. Wenn bei Anfragen kein Honorar genannt wird: nachfragen. Wenn mit Sichtbarkeit argumentiert wird: Sichtbarkeit ist kein gesellschaftlich anerkanntes Zahlungsmittel. Absagen. Mit kulturellem Kapital gewinnt man im Zweifel nämlich auch nur eine Partie Monopoly.