Plakatkunst im Ruhrgebiet

Sieht so jetzt normal aus?

Langsam hat man sich an die neue Corona-Normalität gewöhnt. Der Künstler Christoph Schäfer hängt Bilder des beeinträchtigten Lebens ins Ruhrgebiet und fragt, wie sich der Stradtraum weiter verändert

In Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund kann man in den nächsten drei Wochen Kunst über den Weg laufen, selbst wenn man gerade bloß auf den Zug wartet, zur Arbeit fährt oder bei Feierabend nach Hause spaziert. An zahlreichen Standorten im Ruhrgebiet hat der Kunstveranstalter Urbane Künste Ruhr Zeichnungen von Christoph Schäfer auf großformatige Werbetafeln geleimt. Die "Post von gestern", so der Titel, steht im Stadtraum verteilt, zum Beispiel am Essener Hauptbahnhof.

Die Zeichnungen zeigen die vielzitierte "neue Normalität" in Corona-Zeiten, die inzwischen eigentlich schon gar nicht mehr so neu ist. Es sind Bilder eines beeinträchtigten Alltags, wie man ihn in den letzten Monaten verinnerlicht hat: Ein Autokino vor der Essener Gruga-Veranstaltungshalle, buntes Treiben mit Masken und Abstand auf dem Marler Rathausplatz, Flugzeuge am Boden statt in der Luft. Gerade weil die Plakate an so selbstverständlich gewöhnlichen Orten wie an Bahnhöfen hängen, verbildlichen sie, wie empfindlich die Normalität sein kann.

Dass in den Arbeiten neben der coronakonformen Gegenwart auch alte Symbole des Umbruchs auftauchen - ikonische Bauwerke der Ruhrmoderne wie das Marler Rathaus, das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen oder die Grugahalle Essen - verankert die abgebildeten Geschehnisse in der Region und erinnert an die damalige Aufbruchstimmung.

Wie mag es weitergehen?

Schäfer, der sich schon seit Mitte der 1990er-Jahren mit der Stadtentwicklung auseinander setzt, rückt ins Zentrum, wie wichtig das öffentliche Leben und ein lebendiger Stadtraum für unsere Wahrnehmung von Normalität sind. Seine Zeichnungen zeigen, wie sich soziale und städtebauliche Situationen während des Shutdowns verändert haben, und fragen, wie es nach der Pandemie wohl weitergehen mag. Das regt zum Nachdenken darüber an, welche Aspekte des "alten Alltags" man gerne schnellstmöglich zurückhätte, aber auch, welche Normalzustände man anlässlich der Pandemie vielleicht überwinden oder transformieren könnte.

Als Künstler ist Christoph Schäfer grunsätzlich für seinen partizipatorischen Ansatz bekannt: 1995 initiierte er in Hamburg das Projekt "Park Fiction", das 2002 auch auf der Documenta 11 in Kassel ausgestellt wurde. Nachdem eine Nachbarschaftsinitiative die geplante Bebauung des Hafenrands in St. Pauli verhinderte, entwickelte er das Konzept einer außergewöhnlichen Parkanlage für die Fläche. Gemeinsam mit anderen Künstlern und Aktivisten gestaltete er den Park nach den Wünschen der Anwohner.