Sigmar Polkes Erben

Bitte stören!

In diesem Jahr wäre der Maler Sigmar Polke 80 Jahre alt geworden. Wie groß sein Einfluss heute immer noch ist, zeigt die Ausstellung "Produktive Bildstörung" in Düsseldorf

Schon als Student an der Düsseldorfer Kunstakademie interessierte sich der Maler Sigmar Polke für massenmedial herumschwirrende Bilder. Er eignete sie sich an und übertrug sie in Landschaften aus Punkten, eine Art erweiterte Kopie mit der gleichen Information, deren Oberfläche aber eine andere Wahrnehmung einforderte. Die Lust an der Täuschung und Manipulation zog sich seitdem wie ein roter Faden durch Polkes Werk, ob auf Gemälden oder in anderen Medien. Diese "produktive Störung" ist jetzt der Ausgangspunkt einer Gruppenausstellung, die versucht auszuloten, inwiefern Polkes Ansatz in unserer digitalen Gegenwart aus Fake News, JPEGs und GIFs auf fruchtbaren Boden stößt.                                     

Und siehe da, an aktuellen Bilderstörern fehlt es nicht. Acht Künstler und Künstlerinnen thematisieren, flankiert von Werken des Vorbilds, das realitätsverfälschende Potenzial doppelbödiger Botschaften. Da wäre Trevor Paglen mit seinen "Drone Visions", eine Videoarbeit, die den menschlichen Blick durch das überexakte Sehen einer Überwachungsdrohne ersetzt. Die für Drohnen-gesteuerte Luftangriffe gedachten Aufnahmen stammen von einem Satelliten, der von einem Hacker abgefangen wurde. Ein ungutes Gefühl der Verunsicherung erzeugt auch Camille Henrot. Sie kombiniert Malerei, digitale Collage und Drucktechniken zu Hybriden, die ihre motivischen Quellen in Überwachungs-Apps oder Ultraschallaufnahmen finden.

Seth Price setzt noch einen drauf. Er lässt die 20.000 Jahre alte Darstellung eines Pferdes aus den Höhlen von Lascaux auf ein Standbild aus dem Exekutionsvideo islamistischer Terroristen auf einer transparenten Folie treffen.

In Störmanövern erprobte Geister

Die raumhohen Fotogramme des Schweizers Raphael Hefti entstanden wiederum durch das Verbrennen von Schlangenmoos auf Fotopapier. Die so produzierten Strukturen erinnern an Weltraumaufnahmen, sind aber eigentlich ein hübsch anzusehendes Abfallprodukt. Kerstin Brätsch kommt ohne doppelte Drehungen aus. Sie greift einfach auf ähnliche Gläser zurück, wie Polke sie in Zürich für seinen Glasfenster-Zyklus verwendet hat und stellt damit das Prinzip Autorschaft in Frage. Max Schulze schließlich überträgt militärische Tarnmuster in den Kontext der Wandmalerei und zerstört damit ihre ursprüngliche Funktion.

Mehr Irritation bietet ein von der Anna-Polke-Stiftung initiiertes, mehrtägiges Festival (25. bis 27. November) an der Kunstakademie Düsseldorf, das die Ausstellung begleitet. Teilnehmende wie Taslima Ahmed, Bice Curiger, Raphael Hefti, Camille Henrot, Alexander Kluge, Doreen Mende und Magnus Schäfer sind allesamt in Störmanövern erprobte Geister, die auf regen Austausch hoffen lassen. Und auch die eine oder andere Stichelei ins Getriebe des Kunstbetriebs, die ein allzu routiniertes Diskutieren zu verhindern weiß.