KölnSkulptur

Für eine Häutung ist es nie zu spät

Verschwinden und Überdauern: Am Rhein verknüpft die Freiluftausstellung "KölnSkulptur" Artensterben mit ewigem Leben im Netz

Die Kiefern am Eingang sollte man diesmal genauer inspizieren. Sie erheben die Stimme zum Protest und zählen Dinge auf, die verschwunden sind: ausgestorbene Sprachen, ehemalige Kolonien oder unveröffentlichte Bücher. "Post hoc" nennt der Neuseeländer Dane Mitchell seine hintersinnig umfunktionierten Funkmasten. Sie wurden in China produziert, um Überwachungstechnologien unsichtbar zu machen. Auf dem Rundgang durch das 25.000 Quadratmeter große grüne Museum nahe der Zoobrücke und dem Rheinufer erinnern sie daran, dass sich die Erholung versprechende Natur auch schon mal als eine Falle erweisen könnte.

Dazu passt, dass für die zehnte Auflage der 1997 ins Leben gerufenen Skulpturbiennale Tobias Berger als Kurator mit ins Boot geholt wurde. Der sitzt gerade in Hongkong fest, wo Aktivisten während der Demonstrationen Laserpointer mitnahmen, um Polizeikameras und Sensoren der Gesichtserkennungssoftware zu stören. Strategien der digitalen Unsichtbarkeit sind ihm also nicht fremd. Für seinen Kölner Beitrag hat er den beunruhigenden Titel "ÜberNatur – Natural Takeover" gewählt. Acht Künstler haben neue ortsspezifische Arbeiten produziert, die laut Berger "das Bewusstsein für globale wirtschaftliche Verflechtungen schärfen und ein breites Verständnis für die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Umwelt" schaffen sollen.

Aussicht auf eine zweite Existenz

Und so kreisen die Werke um das weite Feld der grünen Anpassungsstrategien, die Unberechenbarkeit der Biosphäre oder die Konsequenzen profitorientierter Eingriffe. Ayşe Erkmen sorgt sich etwa mit einer bronzenen Nachbildung um "Lonesome George", eine hawaiianische Schnecke, für die Wissenschaftler über Jahre hinweg nach einer Partnerin Ausschau hielten. Vergeblich. George erwies sich als das letzte lebende Exemplar der Achatinella apexfulva.

Einen Hoffnungsschimmer findet man ausgerechnet in einer von John Bock ausgehobenen Grube, in die sich, untermalt mit bombastischer Musik, über eine Holztreppe steigen lässt. In einer Glasvitrine wartet hier die winzige Hülle einer Libellen-Larve auf die verdutzten Eindringlinge des "Schlupf". Die Häutung ist offenbar erfolgreich verlaufen, das neue Leben hat sich längst davon gemacht.

Ähnlich wie die Energie, die aus den Eier-Skulpturen der Chinesin Guan Xiao im Laufe der Zeit gewichen ist und eine runzlige Außenhaut hinterlassen hat. Ihre Transformation ist sozusagen rückwärts hin zum Tod verlaufen. Der kryptische Titel "Old Eggs and the Catcher" erklärt zwar nicht, warum sich ein hölzernes Hashtag in die Installation verirrt hat. Älterwerden als Tabu in den von perfekten Oberflächen faszinierten Social Media?

Den analogen Schoß der Mutter Natur hat jedenfalls auch Katja Novitskova hinter sich gelassen. Ihr überlebensgroßes Abbild einer Kornnatter, das als Cutout eines Digitaldrucks auf Aluminium ausgeführt wurde, kann man nur bewundern. Das motivische Fundstück aus dem Internet hat nämlich noch die Aussicht auf eine zweite Existenz - als abfotografierte Reproduktion, die Novitskova zurück ins Netz stellt. So schließt sich der Kreis der unausweichlichen und von Menschen kontrollierten Prozesse.