Zum Tod der Kuratorin Sophie Lauwers

"Ich habe nie aufgehört zu wachsen und zu lernen"

Sophie Lauwers
Foto: Jef Jacobs

Sophie Lauwers

Erst im vergangenen Herbst wurde Sophie Lauwers als erste Frau Generaldirektorin des Brüsseler Kunsttempels Bozar. Nun ist sie überraschend im Alter von nur 55 Jahren gestorben

Seit 20 Jahren war sie in unterschiedlichen Positionen das Gesicht des Brüsseler Kulturtempels Bozar, eine überaus prägende und modebewusste Erscheinung, die in dem spartenübergreifenden architektonischen Juwel vor allem als Ausstellungsleiterin ihre Spuren hinterlassen hat. Sophie Lauwers' Ansatz des Kuratierens basierte auf drei wesentlichen Achsen: alte Kunst, die großen Namen der Kunst aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zeitgenössische belgische und internationale Künstlerinnen und Künstler.

Der Erfolg der Ausstellungen von Michaël Borremans und Keith Haring war maßgeblich auf ihren Einsatz zurückzuführen. Zuletzt gelang es ihr, mit der David-Hockney-Schau 165.000 Besucherinnen und Besucher ins Haus zu locken. Ihre erste Ausstellung "Rosas XX" war 2002 noch der Arbeit der Tanzchoreografin Anne Teresa De Keersmaeker gewidmet, entlang von Filmen, Fotografien, Zeichnungen und Drucken.

Die 1966 in Hal in Flämisch-Brabant geborene Sophie Lauwers hat als Jugendliche selbst eine Tanzausbildung genossen, klagte aber später über die Aufenthalte in Internaten und eine schwierige Kindheit, in der sie sich als Außenseiterin gefühlt habe. Als ästhetische Schocks, die sie zur bildenden Kunst gebracht haben, nannte sie die Inszenierung von Alessandro Scarlattis "Stabat Mater" durch Alain Platel, die sie als 13-Jährige gesehen habe, den Issenheimer Altar von Grünewald in Colmar und das Gemälde "La Serrure" von Paul Bury aus seiner Magritte-Phase, das durch ein Schlüsselloch in eine mysteriös-fantastische Landschaft entführt. Und schließlich das Gedicht "Posthume Reue" von Baudelaire, das mit dem Satz endet: "Und der Wurm wird an deiner Haut nagen wie Reue."

"Handlungsfähig bleiben durch Stärkung meiner Anpassungsfähigkeit"

Mit dem Bewusstsein der eigenen schweren Erkrankung hat Lauwers nach einer Krebsdiagnose seit 15 Jahren gelebt. Sie scheint sie angetrieben zu haben, immer wieder betonte sie in Interviews, der existenzielle Einschnitt wäre ein Geschenk gewesen, ohne das sie nicht den Antrieb gehabt hätte, an die Spitze des Bozar Center of Fine Arts aufsteigen zu wollen. Wie ihr Kunsthaus "in tiefer Traurigkeit" in dieser Woche bekannt gab, starb sie bereits Ende Mai im Alter von nur 55 Jahren, nachdem ihre Krankheit "gnadenlos zugeschlagen" habe. 

In ihrem Bewerbungsschreiben als Nachfolgerin des seit 2002 amtierenden Paul Dujardin schrieb sie: "Der Palast der Schönen Künste in Brüssel ist die Institution, die mich buchstäblich geprägt hat. Dort habe ich gelernt, mit Komplexität umzugehen, meine Überzeugungen in einer sich ständig weiterentwickelnden Welt zu festigen und dabei unter sich verändernden Umständen handlungsfähig zu bleiben durch Stärkung meiner Anpassungsfähigkeit. Durch Risikobereitschaft und das Formulieren von Vorschlägen habe ich nie aufgehört zu wachsen und zu lernen. Ich habe auch gelernt, gemeinsam voranzukommen und die Bedeutung von Nuancen zu erkennen, in einer Welt, in der Konsens nicht gegeben ist und Vielfalt eine Stärke sein sollte, trotz aller Reibung, die es manchmal verursachen kann."