Kunsthaus Bregenz

Stell dir vor, es ist Krieg und einer guckt hin

Montage heißt auf gut Französisch „Zusammensetzen“. Für Harun Farocki dient der Filmschnitt allerdings weniger der Konstruktion als der Diagnose. Der Künstler und Theoretiker nutzt in vielen seiner Arbeiten die Doppelprojektion. Die Kombination von nacheinander und nebeneinander gezeigten Bildern führt zu einer komplexen Struktur, die Farocki „weiche Montage“ nennt.

Ein treffender Titel für seine Schau im Kunsthaus Bregenz, die umfangreichste, die es bisher in Österreich gegeben hat. Sie belegt nicht nur das ganze Themenspektrum, das den 1944 geborenen Deutschen interessiert, sondern auch die mediale Vielfalt, die bei ihm zur Anwendung kommt. Zu sehen sind Arbeiten aus dem Zeitraum von 1968 bis heute, darunter eine seiner bekanntesten: „Deep Play“, ein Glanzlicht der Documenta 2007, die Anatomie des Fußball-WM-Finales von 2006 auf zwölf Monitoren.

Das Werk war nicht zuletzt ein Lehrstück über die Verästelungen real existierenden Entertainments und die Scheuklappenperspektive vor dem heimischen Fernseher. Harun Farocki analysiert, er wertet nicht. Ein Augenöffner, kein Agitator. Anders als etwa Michael Moore vermeidet er Suggestion und Parteilichkeit, er dokumentiert im idealen Sinn. Auch dort, wo es besonders brenzlig wird: Die Verbindung von Krieg und Technik gehört zu Farockis Kernthemen, von frühen Werken zu Napalm in Vietnam bis zur Installationsserie „Auge/Maschine“ (2001 bis 2003).

Mit Unterstützung des Kunsthauses ist Neues entstanden. „Ernste Spiele“ heißt eine Reihe jeweils achtminütiger Mehrkanalvideos. Darin kombiniert Farocki Aufnahmen aus US-Militärcamps und Computersimulationen, mit denen sich Soldaten auf Einsätze in Afghanistan und anderen Krisenherden vorbereiten. Oder er führt vergleichbare Programme vor, die traumatisierten Heimkehrern bei der Bewältigung ihrer Erlebnisse helfen. Nie wieder Krieg? Das wär ja schön. Statt Parolen auszugeben, zückt Harun Farocki sein Seziermesser, die Kamera.

Kunsthaus Bregenz, bis 9. Januar 2011