Zum Tod von Cy Twombly

Suchen und Umkreisen

Man hatte sich ein wenig aus den Augen verloren: Der Kunstbetrieb zeigt gerade wenig Interesse an abstrakter Malerei – selbst wenn es sich um eine solche Größe wie Twombly handelt. Auf dem Kunstmarkt sieht das anders aus, hier garantieren die Bilder des US-Künstlers gleichbleibend gute Geschäfte. Über acht Millionen Euro verlangte etwa der Kölner Galerist Karsten Greve auf der jüngsten Art Basel für ein unbetiteltes Gemälde, und auch die Twombly-Leinwand bei Gagosian wird nicht viel preiswerter gewesen sein.

Im Gegensatz zu seinen engen Freunden Robert Rauschenberg und Jasper Johns, beide Exponenten der Pop-Art, malte Twombly früh ungegenständlich. Ein Resultat seiner Vorliebe für deutsche Expressionisten – und einer Europareise, die er Anfang der 50er-Jahre gemeinsam mit Rauschenberg unternahm. Zurück nach North Carolina brachte Twombly seine Eindrücke vom Mittelmeer: vor allem die Spuren antiker Kulturen und ihre Sprachen, die ihn faszinierten.

In seinem Deckengemälde „The Ceiling“, das er 2010 im Pariser Louvre im „Salle des Bronzes“ realisierte, kommt dieser Bezug ein letztes Mal stark zum Ausdruck: Die Kreise auf dem 400 Quadratmeter großen Werk greifen die runde Form griechischer und römischer Broschen und Münzen in den Ausstellungsvitrinen auf, die fast 2000 Jahre alt sind.

1957 zog der Künstler ganz nach Rom, wo er anschließend über fünfzig Jahre lebte. An die Stelle des american way of life rückten vollends griechische Sagen. Und die Gedichte von Stéphane Mallarmé mit ihren eigenwilligen Rhythmen und komplexen Satzgefügen.

Solchen sprachlichen Extremen huldigt Twombly in seinem abstrakten Werk. Mit Kringeln, Strichen, farbigen Schraffuren oder Spiralen, die aus der geduldigen Wiederholung einer Geste entstehen. Was gern als Kritzelei oder als unbewusste Notate bezeichnet wird, entstand tatsächlich aus Twomblys künstlerischer Einsicht, dass man unmöglich bis zum Kern einer Sache vordringen kann.

Er selbst pflegte stattdessen die respektvolle Annährung, ein stetes Suchen und Umkreisen, und füttert seine Sujets mit Skizzen oder Textfragmenten, wie sie inzwischen selbstverständlich auch von anderen Künstlern kombiniert werden. Twombly aber hat sich von den poetischen Blättern des Dada animieren lassen und war in den 60ern mit seiner Rückschau auf solche Strömungen ein Pionier. Kaum einem anderen Künstler sind die Verbindungen von Lyrik und Malerei so sensibel geglückt.

Ihre Feinheit hat andererseits allerdings auch das Bild vom reinen Ästheten geprägt. „Für mich war er bis dato eher der schöngeistige Mythenlieferant für Bildungsbürger, der intensitätsheischende und bisweilen kitschig anmutende Schriftbilder produziert“, schrieb Isabelle Graw vor zwei Jahren in ihrer Kritik über eine Retrospektive im Wiener Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig (MUMOK). Im selben Text verriet sie allerdings auch, dass sie seit ihrem Besuch von jenem Vorurteil kuriert sei.

Dass weit mehr in den Bildern steckt als die selbstverliebte Geste und eine Reflexion historischer Phänomene, kann man seit Mai 2009 auch in München sehen. Dort hat der Sammler Udo Brandhorst sein privates Museum mit einem zentralen Raum für Twomblys monumentales Werk „Lepanto“ (2001) ausgestattet. Ein Reigen von zwölf Großformaten in einer Architektur mit den Qualitäten eines Mausoleums. Nun ist er tatsächlich zum Gedenkraum geworden: Cy Twombly, der seit langem unter Krebs litt, ist mit 83 Jahren in einem Krankenhaus in Rom gestorben.

In der Sammlung Brandhorst in München läuft noch bis zu diesem Wochenende eine Schau mit rund 100 Fotos Twomblys. Werke des Künstlers sind zudem noch bis Oktober im schleswig-holsteinischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen. Die Dulwich Picture Gallery, London, zeigt bis 25 September 2011 "Twombly and Poussin: Arcadian Painters"