Fassadenarbeit an der Tate Britain

Das Museum als leuchtendes Geisterhaus

Anne Hardy vor ihrer Installation an der Fassade der Tate Britain in London
Foto: Oliver Cowling/Tate

Anne Hardy vor ihrer Installation an der Fassade der Tate Britain in London

Die britische Künstlerin Anne Hardy hat die Tate Britain in London in einen zart spukenden Tempel verwandelt. Das Museum hatte in diese Jahr auch außerhalb der Kunst einige Geister auszutreiben

Wenn sich ein Geisterhaus für Weihnachten fein macht, kommt sicher etwas ähnliches dabei heraus wie die Installation von Anne Hardy an der Tate Britain in London. Das Museum hat zum dritten Mal seine "Winter Commission" realisiert, bei der die Tempelfassade des altehrwürdigen Ausstellungshauses selbst zum Kunstwerk wird. Die britische Künstlerin Anne Hardy beschäftigt sich in ihrer Installation "The Depth Of Darkness, The Return Of The Light" mit der Wintersonnenwende am 21. Dezember. Die längste Nacht des Jahres hat dunkle Mythen hervorgebracht, aber gleichzeitig verschiedene Rituale mit Licht angeregt. Schließlich kommt die Helligkeit auf der Nordhalbkugel der Erde danach langsam zurückgeschlichen. 

Neben den Lichtern an der Tate-Britain-Fassade hat Anne Hardy auch Flaggen mit abstrakten Mustern und amorphe Skulpturen arrangiert, die wie futuristische Eisplatten aussehen. In den Kunststoff-Formen sind die Abdrücke von Objekten zu erkennen, die die Künstlerin im Stadtraum gefunden hat. Über allem wispert und knackt und bizzelt ein Soundtrack, der ebenfalls aus den Geräuschen Londons gemischt ist. 

Die Installation wirkt besinnlich und bedrohlich zugleich, ein Kondensat der Stadt, das sich gewissermaßen aufs Museum gesetzt hat. Tatsächlich waren die Tate-Standorte in diesem Jahr intensiv mit gesellschaftlichen Themen beschäftigt, die außerhalb der traditionellen Kunstblase stattfanden. So rief die Tate als erste große europäische Kultur-Institution den Klimanotstand aus, die Abteilung für Nachkriegskunst zeigte nur Frauen, um auf ungerechte Geschlechterverhältnisse aufmerksam zu machen, und die Museumsleute setzten sich mit den Klimaaktivisten von "Extinction Rebellion" auseinander, die den Kulturhäusern zu wenig Engagement für Nachhaltigkeit vorwerfen. Im nächsten Jahr dürfte noch der Brexit als Mammut-Aufgabe dazukommen, wobei die Folgen bisher niemand ermessen kann.  

Unter der verzauberten Installation von Anne Hardy kann die Tate vielleicht über den Jahreswechel kurz durchatmen. Oder werden hier gerade Geister ausgetrieben?