Kunstmesse Fiac in Paris

Temporeich, jung, vielversprechend

Trotz der jüngsten Bedenken wegen (einer möglichen Zurückhaltung) der französischen Sammler und der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erschienen die Besucher in großer Zahl: Es herrschte business as usual, als die Fiac am Mittwochmorgen ihre Tore für die VIPs öffnete. François Pinault und Bernard Arnault hatten die Nase noch weiter vorn und liefen bereits um 9 Uhr morgens die Messegänge des Nef de Grand Palais ab, begleitet von ihren jeweiligen Beratern Suzanne Pagé und Jean-Paul Claverie.

Die Tatsache, dass zwei der größten – und reichsten – französischen Sammler als erste die Messe besuchten, ist ein deutlicher Beweis, dass der Appetit auf Kunst weiter anhält. Die anderen VIPs, die zu einer Stunde exklusiver Betrachtung der neueren Galerien im ersten Stock eingeladen waren, konnten es kaum erwarten, zu den bekannteren Namen vorzudringen.

Wohin man schaut, in jedem Stockwerk bietet die Fiac Nahrung für diesen Appetit auf Kunst, insbesondere im wundervollen Salon d’Honneur, wo die Qualität der ausgestellte Werke die katastrophale Nutzung dieses Raumes während der Biennale des Antiquaires im September fast vergessen lässt. Im Nef entdeckten wir mehrere Glanzstücke, wie einen Citroen 2 CV-Motor verbunden mit Edith Piafs Stimme von Thomas Bayrle bei Air de Paris und Oscar Murillos Einzelausstellung bei Isabella Bortolozzi (Berlin).

Auch das Obergeschoss hat viel Interessantes zu bieten, insbesondere bei der Pariser Galerie Semiose, die Piero Gilardi und Présence Panchounette zeigten, oder die Einzelausstellung Timo Nasseris. „Die Qualität ist superb und die Dynamik sehr interessant, mit wirklich neuen Ideen und Perspektiven“, urteilte Pinault-Beraterin Caroline Bourgeois.

Viele Deals waren schon abgeschlossen, bevor die Fiac für das Publikum am Donnerstag öffnete: „Man kann das nicht einfach dem Zufall überlassen. Es gibt so viel zu sehen“, erklärte Adam Sheffer, Direktor der New Yorker Galerie Cheim & Read, der schon vor Messebeginn ein großes Joan-Mitchell-Leinwandgemälde aus dem Jahr 1956 für einen französischen Sammler reserviert hatte. Für welchen Preis? Den will die Galerie nicht verraten, aber zum Vergleich: Ein recht ähnliches Gemälde soll bei Sotheby’s New York im November für mehr als sechs Millionen US-Dollar verkauft werden.

Der Berliner Galerist Max Hetzler brachte ebenfalls vor dem Start der Messe den Verkauf eines großformatigen Werks von Bridget Riley an einen libanesischen Sammler und einer Skulptur von Glenn Brown an einen europäischen Kunden unter Dach und Fach. Aber der tatsächliche Verkaufsstart vor Ort war auch vielversprechend. „Bei uns war zu beobachten, dass die Sammler sich gleich für die ambitionierteren Werke etablierter Künstler interessierten. Fast alle der ersten Kunstwerke gingen an französische Kunden, die sich wegen der derzeitigen Bedingungen nicht zu sorgen scheinen. Das ist beruhigend“, berichtete Olivier Belot, Direktor der Pariser Galerie Yvon Lambert. Er hat allen Grund, zufrieden zu sein: In nur einer Stunde verkaufte er ein großes Statement von Lawrence Weiner für 175.000 US-Dollar und einen kleinen Markus Schinwald für 35.000 Euro.

Nach dem Verkauf von Arbeiten von Sherrie Levine, Rudolf Stingel, Kelley Walker und Sophie Calle kommentierte der Leiter der Galerie Paula Cooper, Steven P. Henry: „Das ist ein sehr optimistisch stimmendes Tempo.“ Estelle und Hervé Francès kauften ein "Fuck Painting" von Betty Tompkins bei der Brüsseler Galerie Rodolphe Janssen. Vincent Honoré, Kurator der David Roberts Art Foundation in London, gab Vollgas und kaufte ein Bild von Rita Ackermann bei der Züricher Galerie Hauser & Wirth, ein Foto von Hans Bellmer aus dem Jahr 1936 bei der Pariser Galerie 1900-2000 und ein Werk von John Stezaker bei der Londoner Galerie The Approach. Kunstberaterin Patricia Marshall erwarb bei der Istanbuler Galerie Rodeo ein Bild des zypriotischen Künstlers Christodoulos Panayiotou sowie bei der Pariser Galerie Yvon Lambert eine Arbeit von Mircea Cantor für sich selbst. Und der Sammler Jean-Marc Decrop wurde sich mit der Pariser Galerie Le Minotaure über einen Kupka handelseinig.

Im Salon d`Honneur im Obergeschoss wurden ebenfalls von Anfang an gute Deals geschlossen. Die Pariser Galerie Jocelyn Wolff fand mit einem britischen Sammler schnell einen Käufer für ein Werk von Franz Erhard Walther von 1963, während sich ein Pariser Kunde eine Skulptur von Katinka Bock sicherte. Der libanesische Sammler Tony Salamé entschied sich für eine Arbeit von Isabelle Cornaro bei der Pariser Galerie Balice Hertling, die nach drei Jahren Pause wieder auf der Fiac dabei war. Die Galerie fand auch ein neues Zuhause für eine neue Produktion von Kerstin Brätsch in einer Pariser Privatsammlung. „Interessanterweise tritt gerade eine neue Generation von sehr jungen Sammlern unter Dreißig in Erscheinung“, beobachtet Galerist Daniel Balice. „Das ist ein enormes langfristiges Potential.“


Fiac, noch bis 21. Oktober, Grand Palais, Avenue Winston Churchill, 75008 Paris
Dieser Text erschien zuerst im ePaper "Le Quotidien de l'Art". Übersetzung: Carola Torti