Kirchenfenster von Thomas Bayrle

Heilige Mutter mit Smartphone

Der Künstler Thomas Bayrle hat auf der Documenta Motoren beten lassen und so den musealen in einen sakralen Raum verwandelt. Nun hat er im Kloster Eberbach ein Kirchenfenster mit Pop-Attitüde geschaffen

Das neugestaltete Fenster im Kloster Eberbach im Rheingau von Thomas Bayrle zeigt eine in Blautönen gehaltene Pietà. Das allein ist für einen sakralen Raum nichts Ungewöhnliches. Wer aber genauer hinschaut, erkennt, dass Maria und Jesus aus lauter kleinen Smartphone-Piktogrammen zusammengesetzt sind.

Die aufwendige Produktion des Bayrle-Werks wurde von den renommierten Unternehmen Glashütte Lambert und Derix Studios ausgeführt. Die Produktionskosten belaufen sich nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf 30.000 Euro und wurden mithilfe von Spendengeldern gestemmt. Für das Kloster bedeutet dieser Akt des Wiederaufbaus nach der Teilzerstörung des Gebäudes 1803 vor allem eins: Hoffnung - auf neue Besucher und den Schritt hin zu einer modernen Kulturstätte.

Komplexe "Figur Pietà"

Die Darstellung der Pietà, Maria die den Leichnam ihres Sohns Jesus auf den Schoß hält, ist eine der bekanntesten mittelalterlichen Darstellungen und inspirierte auch danach Künstler von Michelangelo bis Käthe Kollwitz. Die "Mater Dolorosa", die Schmerzensmutter, steht für den Leidensweg Jesu und für die Qual einer Mutter, die ihr Kind beweinen muss.

Aber was hat die Pietà mit Smartphones zu tun? Der Künstler zu seinem Werk: "Eine mögliche - meine - Vorstellung des Klosters hat wesentlich mit 'Akkumulation' zu tun (...) In unserer Pietà sind viele verschiedenen Einzelheiten zu einer komplexen 'Figur Pietà' zusammengefasst"

Sind die Smartphones also nur ein Mittel zur "Verdichtung"? Schließlich hat Bayrle sie auch schon 2019 in seinem Werk "Heuhaufen naive" zum Berliner Gallery Weekend genutzt um das bekannte (und teure) Bild von Monet nachzuahmen. Auch in anderen Werken zitiert der 83-jährige Künstler und verschiebt damit Bedeutungen. Er schuf in seinem Werk "Monstranz" auf der Documenta 13 einen fiktiven Kirchenraum durch betende Motoren und einer aufgenommenen Rosenkranzandacht und zieht denselben dadurch in Zweifel.

 

Wird der sakrale Raum automatisch Kunst, wenn er in einem musealen Rahmen erschaffen wird? Und dienen im Umkehrschluss, alle im Kirchenraum abgebildeten Motive zur spirituellen Bildung? Thomas Bayrle spielt in ironischer Manier mit der Deutungsverschiebung zwischen religiöser und kunstwissenschaftlicher Symbolik.

Auf der Meta-Ebene birgt das Werk auch eine gewisse Komik. Ein Fenster aus dem Kloster hinaus, gebildet aus Smartphones - auch eine Art Fenster zu unserer digitalen Bilderwelt - verdichtet zum Leidenssymbol schlechthin.

Ob die Smartphones nun die Profanisierung der Kunst oder die sakrale Abhängigkeit unserer heutigen Gesellschaft von moderner Technik symbolisieren sollen - Thomas Bayrle hat ein einzigartiges Fenster geschaffen und reiht sein Werk damit in eine Reihe moderner Glaskunst in Kirchen in den letzten Jahren ein. Gerhard Richter und die Künstlerin Mahbuba Maqsoodi in der Abteikirche Tholey, Max Uhlig in der Magdeburger Johanniskirche oder das Chorfenster von Tony Cragg in der Dorfkirche von Großbadegast nahe Köthen, um nur einige Beispiele zu nennen, zeugen von der Verbindung zwischen Kirche und Kunst - auch eine mittelalterliche Tradition.