Thomas Ruff präsentiert in Wien die Welt aus zweiter Hand

Die schönsten Bilder liegen einfach so herum. Bewies das nicht schon Marcel Duchamp mit seinem Urinal „Fountain“?

Kunst kauft man im Sanitätshaus – oder hebt sie von der Straße auf. Seit sie auch als Datenautobahn existiert, ist es noch einfacher. 2003 sorgte der Fotograf  Thomas Ruff mit dieser Methode erstmals für Wirbel. Nicht dass er damals Pionier gewesen wäre, problematisch gestaltete sich eher, was er aus dem Internet mitbrachte.


Für seine Serie „Nudes“ vergriff sich der Becher-Schüler an digitalen Pornobildern und bearbeitete sie am Computer nach. Ein kleiner Skandal, der der Grund dafür sein mag, dass man genau diese Nackten in der ansonsten ausgiebigen Ruff-Retrospektive „Oberflächen, Tiefen“ vergeblich sucht.
Dabei ist Ruff auch danach ein Sammler geblieben. Einst bekannt geworden durch Vergleichsreihen von Häusern und Menschen, hat er sich vom Eigen- aufs Fremdfoto verlegt. In Wien dokumentieren das besonders aktuelle Serien wie „zycles“ und „cassini“. Bei Letzterer bediente Ruff sich auf der Homepage der Nasa, lud Bilder herunter, die die Raumsonde Cassini vom Saturn gefunkt hatte, kolorierte, manipulierte und blies sie auf zu den für ihn typischen Größen.


Wie die meisten der von Kuratorin Cathérine Hug zusammengetragenen gut 150 Werke – darunter riesige Kopfporträts und frühe Interieuraufnahmen – leben auch sie von der Spannung zwischen fotografischer Fläche und räumlicher Realität. Irgendwo dazwischen, eingeklemmt von Pixeln und Körnung, wurde lange Zeit so etwas wie die Wahrheit der Bilder vermutet. Thomas Ruff aber beweist: Diese Wahrheit gibt es nicht. Selbst Wissenschaftsfotos – Oberflächen und abstrakte Schönheit.

 

Kunsthalle Wien, bis 13. September