New Yorker Künstler und Aktivist

Tim Rollins stirbt mit 62 Jahren

Anfang der 80er-Jahre gründete der Lehrer Tim Rollins in der South Bronx ein Kunstprojekt für Problemjugendliche. Mit seinen "Kids of Survival" schaffte er es bis ins MoMA und auf die Documenta. Jetzt ist Rollins mit 62 Jahren gestorben

Das meldet "ArtNews" unter Berufung auf Rollins Galerien Maureen Paley und Lehmann Maupin. Der in Maine geborene und aufgewachsene Rollins kam 1978 nach New York und studierte Kunst. Da der Erfolg ausblieb, wurde er 1982 Lehrer.

"Es kann sich niemand mehr vorstellen, wie es 1982 in der South Bronx zuging", erzählte Rollins vor zehn Jahren in einem Monopol-Porträt. "Ich konnte die Geschichten nicht glauben, die ich hörte und erlebte. Zwölfjährige kamen mit Schusswunden zum Unterricht, ständig starben Elternteile, Crack wurde gerade populär. Ein Junge sagte, er konnte nicht kommen, weil ihn die Mutter eines Freundes zum Sex zwang. Der Bursche war 13 Jahre alt. Unser Name 'Kids of Survival' war kein Marketinggag, sondern ernst gemeint. Es ging für viele einfach ums Überleben."

Tim Rollins wollte seinen Schülern mit einem nachmittäglichen Workshop mit dem Titel "Art and Knowledge" in einer leerstehenden Etage des Schulgebäudes eine Alternative zum Leben auf der Straße zeigen. Eingeladen waren Jugendliche ab 13 Jahre, solange sie sich an die Regeln hielten: keine kriminellen Aktivitäten, keine Drogen, keine Waffen, tägliche Anwesenheit in der Schule, kein Ärger mit Mädchen!

Rollins kombinierte die serielle Vorgehensweise von Konzeptkünstlern wie Sol LeWitt und Hanne Darboven mit seinem Lehrauftrag: Die "Kids of Survival" lasen gemeinsam klassische Literatur oder hörten Musik und klebten dann die Textseiten auf eine Leinwand und bemalten sie, meistens mit abstrakten Formen. "Die Arbeiten handeln nicht nicht von sozialen Problemen, dem harten Leben im Ghetto und anderen Stereotypen", sagte der ehemalige MoMA-Kurator David Ross einmal. "Sie sind großartig, weil sie die Fantasie nutzen und durch Metaphern den Horizont erweitern, zum Denken anregen."

Die Arbeiten von Rollins und den K.O.S. wurden zunächst in New Yorker Galerien gezeigt, bevor das Kollektiv Museumsausstellungen in der ganzen Welt bestritt. Schon 1988 nahm das Kollektiv sowohl an der Venedig-Biennale wie auch an der Documenta 8 in Kassel teil. In Europa wurde Rollins und K.O.S. neben Maureen Paley von den Galerien Eva Presenhuber, Xavier Hufkens und Chantal Crousel vertreten.

Rollins zahlte seinen Schülern ein monatliches Taschengeld und investierte in die Produktion von neuen Kunstwerken. Zudem gründete er einen Fonds, aus dem College-Gebühren bezahlt werden konnten.

Viele aktuelle und ehemaliger K.O.S. sind dem Projekt bis heute dankbar. "Ich habe keine Angst mehr vor dem Tod", sagte etwa Rick Savinon, der bis heute dem Kollektiv angehört, im Monopol-Porträt, "Wenn ich sterbe, hängt mein Werk immer noch im MoMA. Wir sind unsterblich geworden durch unsere Kunst."