Biopic "Tove"

Berühmt und doch gescheitert

Vor über 70 Jahren erfand Tove Jansson die von Generationen von Kindern geliebten Mumins. Die filmische Biografie "Tove" konzentriert sich weniger auf die Fabelwesen als auf das für ihre Zeit unkonventionelle Liebesleben einer Frau, die eigentlich Malerin werden wollte

Während 1944 in Helsinki die Bomben fallen, imaginiert sich Tove Jansson im Luftschutzkeller zeichnend in eine märchenhafte Parallelwelt. Die Tochter eines erfolgreichen Bildhauers hat Kunst studiert und träumt davon, in Marokko eine Künstlerkolonie zu gründen. Kurz nach Kriegsende verlässt die 30-Jährige trotz fehlender Einkünfte das Elternhaus und mietet sich ein unbeheiztes Wohn-Atelier. Hier feiert sie Partys, gönnt sich einen verheirateten sozialistischen Politiker als Liebhaber und stürzt sich exzessiv trinkend in die Malerei. Vergeblich. Nicht nur ihr Vater kann mit ihrer ersten Ausstellung wenig anfangen. Auch die Stadtverwaltung verweigert ihr ein Stipendium für einen Aufenthalt in Paris.

Lob und Aufmerksamkeit bekommt Tove nur für ihre Geschichten um die freundlichen Trollwesen der Mumin-Familie. Über Wasser hält sie sich mit Grafikaufträgen, Illustrationen oder Fresko-Malereien für das Rathaus. Nicht wenige der Jobs verdankt sie den Kontakten der Theaterregisseurin und Bürgermeister-Tochter Vivica Bandler, einer großgewachsenen androgynen Erscheinung, mit der sie eine Affäre anfängt. Diese ist es auch, die den Erfolg der Mumins beschleunigt und sogar ein Theaterstück über die nilpferdähnlichen Kreaturen inszeniert. Eigentlich Grund genug zur Selbstzufriedenheit. Stattdessen fühlt sich die zunehmend an sich selbst zweifelnde Tove als gescheiterte Künstlerin und Gelegenheitsliebhaberin einer Womanizerin, die ihre Ungebundenheit nicht aufgeben will.

Kampf einer Künstlerin um Anerkennung

Regisseurin Zaida Bergroth erzählt in dem biografischen Drama "Tove" mitunter schmerzhaft intim von dem Kampf einer Künstlerin um Anerkennung. Sie kann dabei auf eine lange Tradition missglückter Emanzipationsgeschichten zurückgreifen, von Vincent van Gogh über Amadeo Modigliani bis zu Camille Claudel – nur dass die zwar verhuschte, aber auch vor Lebenslust strotzende Tove nicht zu einer Selbstzerstörungskandidatin taugt.

Die Hürden, die sie überwinden muss, sind nicht die einer Außenseiterin. Wenn sie den Namen ihres Vaters nennt, öffnen sich verlässlich die Türen. Umso größer werden deshalb die Versagensängste, als gleichaltrige Bohemiens nach Paris ziehen, inklusive der in queeren Clubs verkehrenden Vivica, und sie selbst in einer Disziplin zur Berühmtheit und finanziellen Unabhängigkeit gelangt, die sie eigentlich verachtet.

Unzählige Szenen zeigen Tove beim Übermalen fertiger Bilder, ihr ganzes Gesicht zuckt, wenn sie die Atelierbesucher nach ihrer Meinung fragt. Findet sie wieder keinen Käufer, tanzt sie zur Swing-Musik den Druck weg. Dass sie sich irgendwann damit abfindet, dass sie ihre beruflichen und zwischenmenschlichen Illusionen hinter sich lassen muss, macht sie einerseits zu einer tragischen Figur, andererseits den Film zu einer realistischen Reflexion über eine nur wenige Auserwählte zu Lebzeiten honorierenden Kunstwelt.