Apple-Tracker

Ich weiß eh, wo du bist

Apples AirTag
Foto: Apple

Apples AirTag

Mit den AirTags von Apple kann man seinen Schlüssel oder sein Fahrrad orten - oder warum nicht gleich, die Katze, die Angestellten, die Kinder? Tracking wird gerade einfach wie nie - Zeit, auch über die Gefahren zu sprechen  

Ein ungeschriebenes Gesetz in der Technikwelt lautet: Erst die Nutzung macht ein Produkt. Die Erfinder:innen des Computers hätten nie daran gedacht, dass heute Kunst, Musik und Spiele auf ihren Maschinen gemacht werden. Das Gleiche gilt für das Telefon, welches heute Schaltzentrale für die allermeisten Alltagsaktivitäten geworden ist.

Tracker sind ebenfalls keine neue Erfindung, dennoch hat Apple mit dem AirTag das Thema dieses Jahr Mainstream-tauglich gemacht. Ein Talent, das Apple schon immer sehr gut zu inszenieren vermochte. Der AirTag wurde am 30. April veröffentlicht und ist im Prinzip das, was man aus den 80ern als Schlüsselfinder kannte, wenn man denn nur pfeifen konnte. Befestigt man diesen wie eine übergroße Knopfzelle aussehenden Chip an der Tasche oder am Schlüssel, lassen sich diese über Smartphone tracken und ausfindig machen. Gut möglich, dass Produkte wie AirTags die nächste Evolutionsschwelle im internet of things sind, denn nun lassen sich auch nicht-digitale Gegenstände wie Holzlatten tracken und vernetzen. Oder anders, statt einen unnötigen "Smart Tree" zu entwickeln, wird der 300 Jahre alte Baum eben gechippt, wenn es denn sein muss. 

Aber wie eben zum Thema Nutzung schon angedeutet, sind die spannenden use cases nicht immer da zu finden, wo es die firmeneigenen Werbespots verorten möchten. Viele User:innen befestigten intuitiv AirTags an ihren Fahrrädern oder E-Scootern. So gibt es heute schon spezielles Zubehör, um die Bluetooth-Tracker am geliebten Bike fest zu montieren. Im August konnte man auf Twitter die nervenaufreibende Geschichte des Tech-CEO Dan Guido verfolgen, wie sein E-Scooter in New York zunächst geklaut und später in einem Second-Hand-Laden auftauchte und dank AirTag ausfindig gemacht werden konnte. Der Markt für Bluetooth-Tracker wächst derzeit schnell. Es gibt neben Apple auch Marken wie Tile oder Chipolo. Es gibt YouTuber, die versuchen, AirTags nach Nordkorea zu verschicken, aber auch an die Apple-Zentrale in Cupertino. Eines erfolgreicher als das andere. Im zweiten Fall gab es sogar einen Grußbrief zurück.

Tracking als Kinderspiel

Dank des AirTags ist Tracking zum Kinderspiel geworden. Weshalb es wichtig ist, auch über Sicherheit zu sprechen. Es ist bestimmt praktisch, wenn das Auto im Falle eines Diebstahls wiedergefunden werden kann. Man kann auch ein AirTag um die eigene Katze hängen und genau sehen, wo sich Willy auf dem Lande rumtreibt. Das Tracken von Reisegepäck ist interessant, ich habe allerdings im Leben noch keinen Koffer verloren. Vielleicht habe ich auch einfach Glück gehabt.

AirTags eignen sich auch hervorragend zum Stalken. Im Rucksack oder unter der Fußmatte eines fremden Autos versteckt, kommen richtig dirty Stasi-Gedanken in den Sinn. Am besten gleich die eigene Familie und Kinder mit AirTags versehen – man weiß ja nie. Was für E-Scooter gut ist, kann für Menschen nicht falsch sein. Pro Apple-ID können bis zu 16 Tracker gesteuert werden, das ist nicht die Welt, aber schon ziemlich mächtig.

Theoretisch können AirTags auch zu Trojanern umfunktioniert werden. Das fand kürzlich der Sicherheitsexperte Bobby Rauch heraus. Hierfür adaptierte er den altbekannten Flashspeicher-Trick, in welchem auf einem Firmenparkplatz beispielsweise USB-Sticks platziert werden, in der Hoffnung, dass ein Mitarbeiter den aufhebt und am Firmencomputer anschließt. Gut, ein bisschen umständlich, aber, falls Sie beim Joggen etwas mit AirTag im Busch sehen, lassen Sie es einfach da. Die Leute wissen eh, wo es ist.

Familienfreundlicher Anstrich für eine miefige Sache

Peilsender kennen wir alle aus unzähligen Hollywood-Filmen und immer liegt auf solchen Szenen ein finsterer Dunst. Entweder ist es kriminell, die CIA, oder ein schlecht frisierter Hacker-Stereotyp mit fettiger Haut, der gegen seinen Willen jemanden ausfindig machen muss. Apple schafft es quasi mit seiner schicken, familientauglichen Software, der miefigen Sache einen ganz neuen Anstrich zu verpassen. Und gehen wir davon aus, dass Tracking-Chips spätestens im Bereich Logistik bald zum Standard gehören werden. Nie wieder ein Paket verlieren! Er ist schon da, der Alltag mit Trackern.

Ich frage mich allerdings, ob solch ein neues Alltags-Gadget nicht eher zur sozialen Eskalation beisteuern könnte: Transparenz ist immer seltener selbstermächtigt. Außerdem sind auch Fahrraddiebe nicht dumm und werden nach Trackern suchen, falls sich diese etabliert haben sollten. Überwachung bleibt ein Katz-und-Maus-Spiel. Achten wir daher darauf, dass das Misstrauen hierbei keine Überhand gewinnt.