Stiftung Bauhaus lädt Punkband aus

Überfordert mit der Gegenwart

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Jan Gorkow, Sänger der Band "Feine Sahne Fischfilet", auf der Bühne des Hurricane Festivals

Das Stiftung Bauhaus Dessau hat Feine Sahne Fischfilet ausgeladen, weil sie die Punkband als linksextrem einstuft und Rechte gegen den Auftritt mobilmachen. Ein Fehler, findet Elke Buhr. Denn Kultur ist keine Insel der Seligen, sondern ein Ort, wo Kämpfe um die Werte einer Gesellschaft ausgetragen werden. Ein Kommentar

Nein, Feine Sahne Fischfilet sind nichts zu essen und auch kein Kunstprojekt. Sie sind vielmehr zurzeit die erfolgreichste deutschsprachige junge Rockband. Ihr Album "Sturm und Dreck" stieg im Januar auf Platz drei in den deutschen Albumcharts ein, die Tour dazu war komplett ausverkauft. Und in der Diskussion sind sie zurzeit wegen eines Skandals: Die Stiftung Bauhaus Dessau hat ein Konzert mit der Band aus Mecklenburg-Vorpommern abgesagt, das das ZDF für den 6. November dort geplant hatte.

"Unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Konzertes und des Vorverkaufes konnte die Stiftung Bauhaus Dessau in den sozialen Medien beobachten, dass sich rechte Gruppierungen aus dem regionalen Umfeld gegen den Auftritt der Band am Bauhaus Dessau mobilisieren. Das Bauhaus Dessau ist historisch und zeitgenössisch ein Ort für alle Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Nationalität. Politische extreme Positionen, ob von rechts, links oder andere finden am Bauhaus Dessau keine Plattform, da diese die demokratische Gesellschaft – auf der auch das historische Bauhaus beruht – spalten und damit gefährden", hieß es in einem Statement der Stiftung Bauhaus Dessau. Das ZDF, das die Bauhaus-Bühne regelmäßig für Veranstaltungen mietet, will an dem Konzert festhalten und sucht nun einen anderen Veranstaltungsort.

Von der CDU-Regierung bekam die Stiftung Bauhaus Dessau Rückenwind: "Die Einladung der Band ist schwer bis nicht nachvollziehbar", sagte der Regierungssprecher Sachsen-Anhalts, Matthias Schuppe. Der AfD-Bundestagsabgeordneter Andreas Mrosek wurde noch deutlicher: Es sei ein Skandal, dass ein zur Ausgewogenheit verpflichteter öffentlich-rechtlicher Sender einer linksextremistischen Band ein solches Forum biete.

Schon als Feine Sahne Fischfilet beim Konzert gegen Rechts in Chemnitz aufgetreten waren, lief eine ähnliche Debatte ab – es ist seit Jahren die gleiche. Die Band hat sich von Anfang an dem Kampf gegen den Nazis auf dem ostdeutschen Land verschrieben und in einigen frühen Songs auch recht brachiale Antifa-Rhetorik benutzt. Immer wieder zitiert wird zum Beispiel der Song "Staatsgewalt" von 2009, in der aus der Perspektive eines Menschen, der auf einer Demo zu Brei geprügelt worden ist, Rache gegen die "Bullen" angekündigt wird. Nun, sie machen Punk – ein Genre, das damit begann, dass Johnny Rotten von den Sex Pistols "Ich bin der Antichrist – besauf dich! Zerstöre!" sang.

Feine Sahne Fischfilet brachten ihre Songs eine Überwachung durch den Verfassungsschutz ein – und damit einiges an Publicity. Im Verfassungsschutzbericht von Mecklenburg-Vorpommern des Jahres 2013 wurde der Band mehr Raum eingeräumt als allen Nazi-Bands der Region. Nach 2015 aber wurden sie nicht mehr erwähnt. Auch die brachialen alten Songs spielen sie nicht mehr – die seien ihnen mittlerweile selbst zu primitiv, sagen sie.

Geblieben ist auch in den aktuellen Lyrics eine explizite Stellungnahme gegen rechts, so wie in ihrem Song "Dreck der Zeit", wo sie von ertrunkenen Flüchtlingen singen und Solidarität beschwören: "Willkommen im Dreck der Zeit, du bist nicht allein."

Geblieben ist auch die Feindschaft mit den gewaltbereiten Nazis der Region. Seitdem sie Musik machen, sagte Jan Gorkow, der Sänger der Band, kürzlich im Interview mit der "Zeit",  "werden wir beschimpft, bedroht, angegriffen. Es gab Buttersäure-Anschläge auf unseren Proberaum und auf mehrere Clubs, in denen wir auftreten wollten. Immer wieder wurden Konzerte abgesagt, weil die Veranstalter zu viel Angst vor Überfällen hatten. Eines Tages prangte mein Gesicht mit gespaltenem Schädel auf Tausenden von Aufklebern, die Nazis gedruckt und verteilt hatten. Vor einer Weile hat jemand eine Axt in meine Motorhaube gehauen."

Zugegeben, man kann sich das ehrwürdige Bauhaus nicht wirklich vorstellen als Kulisse für einen Auftritt der tätowierten Herren aus dem Norden – ästhetisch tendieren sie wohl eher in Richtung Tatoo-Ornament auf ausladender Bierwampe als zur modernistischen Reduktion. Aber sind Feine Sahne Fischfilet wirklich als linksextrem einzustufen, wie es die Stiftung Bauhaus Dessau nahelegt? Der Verfassungsschutz von Mecklenburg Vorpommern hat aufgehört, die Band zu beobachten. In ihren Texten setzen sie sich – wenn sie nicht gerade das Besoffensein feiern – für etwas ein, was auch das Bauhaus als seinen Wertekanon sieht. Sie wollen auch, dass ihre Heimat ein Ort für alle Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Nationalität ist – auch wenn sie es vielleicht etwas anders ausdrücken:  Es möge bitte niemand, der anders aussieht, von Nazis in die Fresse bekommen. Und es ist wichtig, dass die weltoffene Gesellschaft auch in dieser Sprache verteidigt wird – dass man mit gedrechselten Sonntagsreden nur die eigene akademische Blase überzeugt, ist den Linksintellektuellen oft genug vorgehalten worden seit dem Aufstieg der Populisten.

Richtig ist natürlich, dass ein Auftritt der Band mit großer Wahrscheinlichkeit von Aufmärschen gewaltbereiter Nazis begleitet wird. Und genau hier macht die Stiftung Bauhaus Dessau einen Denkfehler. Natürlich will niemand, dass rechte Gruppierungen vor seiner Haustür aufmarschieren. Und das Weltkulturerbe muss geschützt werden. Aber gegen wen sollte man dann vorgehen – gegen die rechten Gruppen? Oder gegen die Veranstaltung, die ihr Auftreten provoziert?

Die Spaltung der Gesellschaft gefährdet die Demokratie – ganz richtig. Es könnte ja aber auch sein, dass man die Werte des Bauhauses – Menschenwürde unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Nationalität – angesichts der aufgeheizten Debatte gerade in der Heimat von Feine Sahne Fischfilet zur Zeit nicht verteidigen kann, ohne dass die Radikalen vor der Tür stehen. Die Absage wirkt nun so, als würde man vor ihnen einknicken. Was sicher das Letzte ist, was die Stiftung Bauhaus Dessau erreichen wollte.

Nicht zum ersten Mal zeigt sich eine Kulturinstitution überfordert mit der politischen Realität der Gegenwart – man denke nur an die Ruhrtriennale, die wegen der Verbindung zum israelkritischen BDS die schottische Band Young Fathers erst ein-, dann aus-, dann wieder einlud. Aber auch das ist ja eine Erkenntnis, die bereits das Bauhaus lehrt: Kultur ist keine Insel der Seligen. Sie ist auch ein Ort, wo die Kämpfe um die Werte einer Gesellschaft ausgetragen werden. Und das wird anstrengend.