Künstlerin Ursula in Köln

In jedem Bild könnte man versinken

Das Museum Ludwig zeigt gerade eine Retrospektive der 1999 verstorbenen Ursula. Zu entdecken gibt es ein überraschendes, schräges und tiefgründiges Werk - und eine Frau, die zwei Künstlerleben gleichzeitig organisieren musste

Stolz blickt sie von der Leinwand, mit großen, blauen, an Pfauenfedern erinnernden Augen, die von einem fransig-fließenden Kurzhaarschnitt eingerahmt werden. Gestrichelt, getupft, gemustert, gepunktet, mit echten Federn und Pelzstückchen verziert, präsentiert sie ihr Gewand. "Ursula – Das bin ich. Na und?" heißt dieses, ihr letztes Selbstporträt von 1995, das sie mit 74 Jahren malte.

Dieses kleine, nachgeschobene, selbstbewusste "Na und?" scheint sich wie ein Mantra über ihr Werk zu legen, das gerade im Museum Ludwig in einer großen Überblicksausstellung zu sehen ist – der ersten nach über 30 Jahren. In den 1950er-Jahren beginnt sie autodidaktisch zu zeichnen und zu malen, neben ihrem Hauptberuf in der Kulturabteilung des Amerika-Hauses in Frankfurt. 1955 heiratet sie den Maler und Informel-Vertreter Bernard Schultze. Mit ihm teilt sie sich fortan ein Atelier, jeder arbeitet in seiner Ecke, nur kümmert sich Ursula, die als Künstlerin ihren Nachnamen in den 1950er-Jahren ablegt, auch noch um die gesamte Bürokratie und Organisation für ihren Mann.
 


Erstaunlich, was neben diesem Job, den heute Künstlerassistenzen in Vollzeit erledigen, für ein vielschichtiges, überraschendes, schräges und tiefgründiges Werk entstanden ist. In jedem Bild könnte man versinken, den Wesen und Formen folgen, die das Auge erst mal auseinandersortieren muss – wo beginnt der Mensch, wo hört das Tier auf, wo verschmilzt wabernde Vegetation mit urbanen oder abstrakten Flächen? Nie gibt es ein Zentrum, keinen Vorder- oder Hintergrund. Eigene Reisen verweben sich mit mythologischen, Traumwelten mit griechischen Sagen, wie Schmetterling und Ikarus, Frauengestalten mit geschlechtslosen Wesen, alles fließt. Dazwischen blickt man irritiert auf Pelzstücke und ausgestopfte Tiere, die sie in ihre Bilder und Skulpturen integriert hat.

Ursula interessierte sich für Beziehungen, zwischenmenschliche und erotische genauso wie die zwischen anderen Lebewesen, Welten und Wahrnehmungsebenen. Kein Wunder, dass ihr Werk heute wiederentdeckt und gefeiert wird. Die Ausstellung ist wie das Abtauchen in einen eigenen Kosmos, noch verstärkt durch die Szenografie, die sich farben­feiernd mit den Bildern verbindet. "Das Bild sitzt im Gehäuse meines Kopfes und wartet, in die Außenwelt, auf die Leinwand entlassen zu werden", sagte sie. Gut, dass die Außenwelt nun daran teilhaben darf.