Kunstfestival Various Others

Zimmer frei für die Kunst

Beim Auftakt von Various Others verwandelte sich der Bayerische Hof für 24 Stunden in ein schillerndes Kunst-Labyrinth. Aber nicht nur hier zeigt sich gerade die Experimentierfreude der Münchner Kunstszene

Das Hotel Bayerischer Hof ist nicht nur bevorzugter Ort für Abschlussbälle überdekorierter Teenager oder für Shoppingtrips von Menschen, die sich Luxusdirndl leisten können. Hier wird auch die Münchner Sicherheitskonferenz ausgetragen. Dass das Kunstfestival Various Others seine zentrale Veranstaltung an ebendiesem Ort "Unconference" nannte, konnte man deshalb auch als Akt des Exorzismus verstehen – der den Beteiligten viel Spaß bereitete.

24 Stunden lang wurde das Hotel mit Kunstinstallationen, Events, Performances und Talks bespielt. Die im Verlauf der Nacht immer jünger werdenden Besucherinnen und Besucher wuselten durch den riesigen Bau, und die unter dem Ansturm leicht ächzende Hotelmaschinerie ließ an allen Ecken und Enden Überraschungen aufsteigen wie Seifenblasen: Die Drehtür am Eingang wurde bemalt, das Foyer nach dem großen Dinner für geladene Gäste von einer queeren, bunten Parade der Band Chicks on Speed beschallt, und in den gediegenen Rückzugsräumen störten plötzlich satirische Selbstporträts von Cindy Sherman oder technoide Installationen von Hannah Levy die Ruhe der alten Gemälde an den Wänden. (In dieser Sonderausstellung waren die Sammlung Goetz, die beacon collection und die Sammlung Markus Michalke zu Gast.)

Karaoke auf dem Rooftop, Künstlergespräch im Kaminzimmer, Filmprojektionen in Suiten und im Kino, Künstlerteestunde: Es gab immer neue Anlässe zu einer Schnitzeljagd durchs Haus, Überblick unmöglich. Und dort, wo der Bayerische Hof endgültig ins Wes-Anderson-hafte kippt, nämlich im Telefon- und Faxraum, der wie aus dem 19. Jahrhundert wirkt, schickte sich Martin Fengel nach Mitternacht Fax-Zeichnungen mit Künstlern in Tokio und Texas hin und her.

 Chicks on Speed
Foto: Pablo Lauf

Die Chicks on Speed im Bayerischen Hof


Die Münchner Szene wunderte sich an diesem fulminanten Eröffnungswochenende des Festivals fast selbst über die eigene Experimentierlaune, und die angereisten Gäste nahmen das Spektakel erfreut zur Kenntnis – zumal die Diskussions-Panels auch einige inhaltlich anspruchsvolle Gespräche über neue Galerienmodelle und die aktuellen Herausforderungen von Kulturpolitik zu bieten hatten. Und natürlich gab es auch außerhalb der Mauern des Bayerischen Hofs Gehaltvolles zu sehen, nämlich bei den Münchner Galerien, die gemeinsam mit den hiesigen Institutionen das Various-Others-Festival tragen. 

Geradezu Museumsformat hat beispielsweise die Ausstellung, die die Künstlerin Leiko Ikemura gemeinsam mit dem Architekten Philipp von Matt bei der Galerie Rüdiger Schöttle organisiert hat. Unter dem Titel "Breaking the walls, Dino appears" setzt sie dort eigene Keramiken und Zeichnungen zum Thema Architektur mit Werken von Dan Graham, Martin Creed oder auch der Architektin Lina Bo Bardi in Beziehung und kreiert einen poetischen Ausstellungsessay über das Sprengen von Grenzen. Kunsthistorische Substanz hat auch die bescheiden "Petite Ouvertüre" betitelte Ausstellung bei Knust Kunz Gallery Editions. Diese präsentiert (passend zur großen "Fünf-Freunde"-Ausstellung im Museum Brandhorst) Editionen von John Cage und setzt sie mit leichter Hand in Beziehung zu Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler wie Carsten Fock oder Jenny Brosinski.

Die Grundidee von Various Others ist, dass Galerien wiederum andere Galerien zu Ausstellungen in ihre Räume einladen. Viele setzen das sehr produktiv als Dialog mit eigenen Künstlerinnen und Künstlern um, wie etwa die Galerie Nouveaux Deuxdeux, die für ihre junge Bildhauerin Mona Schulzek mit Thomas Feuerstein aus dem Programm der Wiener Galerie Elisabeth und Klaus Thoman ein perfektes Gegenüber gefunden hat: Beide scheinen mit ihren utopischen Techno-Installationen unterwegs in ein anderes Universum.

Various Others
© Foto: Dirk Tacke, courtesy of Galerie Rüdiger Schöttle

Installationsansicht "Breaking the walls, Dino appears – Kind of reflection on art and architecture", kuratiert von Leiko Ikemura, Galerie Rüdiger Schöttle, München, 2025


Noch einfacher wird es, wenn sich Galerien die Repräsentation eines Künstlers teilen, so wie bei Kraupa Tuskany-Zeidler, die die Schweizerin Claudia Schifferle in Zusammenarbeit mit den Galerien Oskar Weiss und Mueller zeigen. Oder wie bei Sperling, die in ihren neuen Räumen gemeinsam mit der Galerie Pequod Co. aus Mexiko-Stadt den deutschen Maler Malte Zenses präsentieren, der seine mit kurzen Texten und Slogans versehene, vielfach collagierte Low-Fi-Malerei bei einem Aufenthalt in Mexiko weiterentwickelt hat.

Auch wenn kein Galerienaustausch zugrunde liegt, ist das Grundformat oft ein Dialog: Bei Françoise Heitsch fügt die feministische Körperkunst von Antje Engelmann dem lustvoll blasphemischen Kirchenfenster von Klaus vom Bruch mit dem wütenden Zitat von Antonin Artaud eine ganz andere Dimension hinzu. Deborah Schamoni ergänzt die überzeugende Ausstellung von Maria VMier mit auf großen Paneelen installierten, sehr körpernahen abstrakten Malereien auf Papier mit einem frisch installierten Skulpturengarten, zu dem Werke von Judith Hopf oder Jonas Monka gehören. Und bei Paulina Caspari bilden sieben sehr junge, sehr internationale Künstlerinnen und Künstler wirklich, wie der Ausstellungstitel "My Galaxy" impliziert, einen eigenen Kosmos.

So setzt Various Others, das in diesem Jahr erstmals vom September in den Mai gewandert ist, eine Woche nach dem Berliner Gallery Weekend einen äußerst ambitionierten Akzent in den Frühlings-Kunstkalender. Es ist ein Festival mit vielen Akteuren, vielen Ideen, alles andere als gefestigt, ein organisatorisches Wagnis. Und genau darin liegt sein Potenzial.

Malte Zenses Aschenputtel's Me-Time
Foto: Nick Ash

Malte Zenses "Aschenputtel's Me-Time", 2025