Lexikon zu Olafur Eliasson

Virus Kunst

Es braucht schon ein wenig Mut, um die Kunst von Olafur Eliasson mit einem Virus zu vergleichen. Ist sie eine infektiöse Kulturvernichtungsmaschine? Oder warum stellt der Kunsthistoriker Philip Ursprung den Bezug zwischen der Kunst und krankheitserregenden Partikeln her?

Wer eine Antwort auf diese Fragen sucht, sollte den Einleitungstext, den Ursprung für das Buch „Studio Olafur Eliasson“ geschrieben hat, nicht überfliegen. Im minimalen Schriftgrad 6 pt stecken kluge und ehrliche Gedanken, die Eliassons Praxis, aber auch das verwirrende Konvolut aus Interviews, Dokumentationsmaterial, Bildunterschriften und Begriffen erklären.
 
Was Olafur Eliasson als Künstler ausmache, schreibt Philip Ursprung, „ist zweifellos die spezifische Verankerung innerhalb eines (pseudo-) wissenschaftlichen Diskurses“. Sein Studio in Berlin bewege sich zwischen Ateliermaschine, Labor und warholscher Factory. Seine Kunst verbinde Ästhetik mit Naturwissenschaft, Theorie mit Design und Architektur.

Angesichts dieser Akrobatik, die Eliasson gemeinsam mit zahlreichen Mitarbeitern seit Anfang der 90er-Jahre leistet, ist es wenig überraschend, dass sich der Künstler für eine enzyklopädische Darstellung seiner Arbeit entschieden hat. Modelle, Studien, Skulpturen und Installationen werden unter Begriffen wie „Beauty“, „Kaleidoscope“ oder „Weather“ zusammengefasst und in Form von Interviews erläutert.

Was hat das jetzt alles mit Viren zu tun? Ob in Berlin oder Reykjavík, Eliasson bediene sich frei an überall auftauchenden Wirten. Ob BMW-Art-Car oder Louis-Vuitton-Schaufenster, Tate-Turbinenhalle oder Guggenheim, Eliassons Kunst passe sich seinen Umgebungen wie ein Erreger an, infiziere und informiere sie, so Ursprung.

Was Eliasson zurücklässt, stellt das Studio-Nachschlagewerk eben nun vor: eine Kunstwelt, in der man sich nicht immer zurechtfindet, die aber trotzdem Orientierung bieten soll.

Olafur Eliasson, Philip Ursprung: „Studio Olafur Eliasson“. Auf Deutsch, Englisch und Französisch. Taschen Verlag, 531 Seiten, 29,99 Euro