A Star Is Born. Fotografie und Rock seit Elvis

Vom Bild zum Image

Sommer, Festivalsaison. Am Eingang zu den verheißungsvollen Äckern und Wiesen werden teure Tickets gegen billige Bändchen getauscht, und die zieren dann manche Handgelenke für Wochen, wenn nicht gar Monate, bis Schere oder Verfall den Trophäen ein Ende bereiten. Auch an den Armen der Besucher des Essener Museums Folkwang prangt ein Band. Statt wie gewohnt die Eintrittskarte dem Personal zu zeigen, reicht vor dem Betreten der Schau „A Star Is Born. Fotografie und Rock seit Elvis“ das lässige Ausstrecken des Arms, um in die Ausstellungsräume zu gelangen. Wie bei echten Konzerten eben.

Am Anfang ist der King. An den Aufnahmen von Elvis Presley wird exemplarisch deutlich, welche Rolle die Fotografie für den Rock spielt: Neben Schnappschüssen mit dokumentarischem Charakter sind es vor allem inszenierte Fotos, die das Image des Stars prägen, sie zu Ikonen werden lassen. „Image“ und „Ikonen“ – allein die Wörter verdeutlichen die Bedeutung des Bildes für einen Starkult, der hier, in den 50er-Jahren seinen Anfang nahm.

Während die mediale Inszenierung zu Elvis (Hoch-)Zeiten noch in den Kinderschuhen steckte, zeigen schon die Fotografien der Beatles, wie ein Image medial generiert werden kann: die vier smarten Boys, immer schön korrekt gekleidet mit Anzug und Krawatte. Und auch Philip Townsends Foto von den Rolling Stones vor ihrem ersten TV-Auftritt zeigt ein ähnlich glattes Boyband-Image, bevor die Band um Mick Jagger entschied, ihr Auftreten provokanter zu gestalten und dabei bewusst die Abgrenzung zu den Liverpoolern suchte.

In den 70er-Jahren radikalisierte David Bowie Little Richards Konzept von Androgynität und verwischte Geschlechtergrenzen. Und auch der Ästhetik des Punks ist ein Teil der Ausstellung gewidmet, das mittlerweile sogar von großen Bekleidungsfirmen auf T-Shirts reproduzierte Plattencover von The Clashs „London Calling“ wird dem historischen Vorbild von Elvis Presley gegenübergestellt.

300 Ausstellungsobjekte hat Kuratorin Ute Eskildsen gemeinsam mit ihrem Team zusammengetragen, neben Fotografien sind vor allem Plattencover, Autogrammkarten und Zeitschriften zu sehen. Es gehe, so Eskildsen, nicht darum, Rockgeschichte abzubilden, sondern besonders auch die Rolle der Fotografie zu beleuchten, die „in dem Zusammenspiel von Journalismus, Werbung und Autorenfotografie betrachtet“ werden solle. Den Stars vor stehen daher auch Stars hinter der Kamera gegenüber, etwa Mick Rock, Jim Rakete, Annie Leibovitz und Pierre et Gilles. So transportieren viele Exponate nicht allein das Image der abgebildeten Stars, sondern tragen deutlich die Handschrift ihrer Erzeuger.

Einige der Fotografien werden im Museum Folkwang zum ersten Mal zu sehen sein, viel Neues gibt es dennoch nicht zu sehen. Die meisten Bilder sind bekannt, sie sind längst tief im kulturellen Gedächtnis verankert. Aber das macht auch gar nichts, zieht die Ausstellung ihren Reiz doch vor allem aus der Gegenüberstellung. Sie zeigt, wie Bildkonzepte sich verändern, wie Starkult entsteht. Der Weg vom Pressefoto zum Plattencover, hier wird er sichtbar, und gerade anhand der Fotografien der letzten zehn Jahre wird deutlich, welche Veränderungen die Möglichkeit der digitalen Bildbearbeitung mit sich gebracht hat. Ausgesprochen kurzweilig gestaltet sich daher der Besuch von „A Star Is Born“, das rosafarbene Band am Handgelenk bleibt als Erinnerung an eine gelungene Ausstellung zumindest bis zur nächsten Dusche erhalten.

Bis 10. Oktober