Zwischen düsteren Caravaggios und Berninis kaltem Marmor schweben Vögel, drehen sich Hörner über einem Kochtopf, winden sich Schlangen, recken sich Wassergeister. Die kenianisch-amerikanische Künstlerin Wangechi Mutu wurde von der Galleria Borghese in Rom eingeladen, ihre Werke zwischen der imposanten Kunstsammlung zu platzieren.
Damit ist dies nicht nur ihre erste Ausstellung in einer italienischen Institution, sie ist auch die erste lebende Künstlerin, der das Privileg zuteilwird, die heiligen Borghese-Hallen zu bespielen. Im letzten Jahr zeigte das Haus bereits Louise Bourgeois zwischen Raffael, Tizian und Co., ebenjenen Meisterwerken der Sammlung, die einst Kardinal Scipione Borghese beauftragte.
"Black Soil Poem" heißt Mutus Ausstellung, und die will das Museum als Schatzkammer infrage stellen und viel mehr zu einem Raum der Transformation machen. Draußen gibt es ein Video und Skulpturen, drinnen Bilder und Skulpturen.
Veränderung sichtbar und fühlbar machen
Schon vor dem Eingang wachen an der Fassade Mutus Bronzeskulpturen, die 2019 die Säulen-Zwischenräume des New Yorker Metropolitan Museum füllten. Sind sie menschlich, animalisch oder geistlich? Jedenfalls scheinen sie aufzupassen. Mutu möchte das Museum nicht nur als Behälter für Schätze sehen, heißt es, sondern als einen Raum, der potenzielle Veränderung sichtbar und fühlbar macht. Und das tut diese Ausstellung.
Wir sehen Buchstaben am Boden, hergestellt aus Kaffee, Erde und Tee. Die Lettern liegen über Mosaiken, die Gladiatoren darstellen und bilden den Text des Liedes "War" von Bob Marley. Dieses wiederum bezieht sich auf den äthiopischen Regenten Haile Selassie und seine antikolonialen Ziele.
Wir sehen einen Teppich, dessen Muster an Blutspuren erinnert und der in der Nähe eines Werkes liegt, das die gejagte Diana abbildet. Wir sehen Kugeln aus Plastikmüll, die von der Decke hängen und sich im Wind, den man beim Vorbeigehen erzeugt, zu bewegen scheinen. Darüber Freskenmalerei, die Dreidimensionales imitiert.
Im Boden stecken die Geschichten
Auf einem traditionellen Kochtopf, der an Mutus Großmutter erinnern soll, dreht sich eine Skulptur, deren spitzes Ende wie ein Finger oder ein Stift über die Platte des Topfes streicht und dabei einen leicht vibrierenden Sound erzeugt. Eine Arbeit, die heimelig wirkt, verbindend durch das Ritual des Kochens und Essens. Es erinnert daran, wo das Zuhause ist, und gleichzeitig vermittelt es Bedrohung.
Wir sehen Wassergeister und schwarze Eier, große Schlangen und feine Vögel. Und im letzten Raum eine Gestalt, die zu thronen scheint, so sieht ihre Körperhaltung aus, nur ein Thron ist nicht zu sehen. Viel eleganter kann man das Thema Macht kaum bearbeiten. Das "Soil" im Ausstellungstitel, die Erde, steht bei Mutu für die Geschichten, die in den unterschiedlichen Bodenschichten stecken. Jede Lage erzählt etwas anderes, hat anderes erlebt. Und das, was aus diesem Boden entsteht, wächst auf allen Geschichten, die unter unseren Füßen stecken.
So erzählt Wangechi Mutu in dieser sehr gelungenen Kombination aus neuen und bekannten Werken aufregend Poetisches über Herkunft und Zukunft, die immer individuell sowie verbindend sind. Und das tut sie mit leiser Geste und anmutiger Stimme. Wie gut das in die protzige Perfektion der alten, männlichen Meister passt.