In der Schlange vor der Kunsthalle

Warten aufs Dabeisein

Wer am Freitagmorgen am Berliner Stadtteil Mitte unterwegs war, dem konnten sie nicht entgehen: Menschen mit Kunst unter dem Arm – von jung bis alt, von gestriegelt bis verlottert. Vom Alexanderplatz bis zur Friedrichstraße öffneten sich S-Bahn-Türen, aus denen riesige Leinwände herausschwebten. Als die meisten Berliner noch auf dem Weg zur Arbeit waren, campierten bereits besonders ehrgeizige Kunstschaffende vor den Toren der neuen Berliner Kunsthalle der Deutschen Bank; wie man hörte, sollen die ersten schon Donnerstagnacht gekommen sein. Mit ihrer Aktion "Macht Kunst" animierte die Kunstabteilung des Geldinstituts gemeinsam mit Kurator René Block Künstler, Laienkünstler und Fotografen dazu, ein Bild für eine 24-stündige Ausstellung beizusteuern.

Unter den Linden, Ecke Charlottenstrasse. Vor der Kunsthalle war ein Menschenandrang zu sehen, der an die spiralenartigen Besucherreihen der legendären MoMA-Berlin-Ausstellung von 2004 in der Neuen Nationalgalerie erinnerte. Bis zur Mittagszeit bildete sich eine Schlange bis zum Bebelplatz  – ein Ansturm mit dem man so nicht gerechnet hatte, wie die Leitung der Kunstabteilung später sagte. Neben der schieren Menge an Leuten beeindruckte vor allem die Herzlichkeit im sonst so kaltschnäutzigen Berlin.

So sagte Ulrich aus Wedding, der es nach vier Stunden bis vor die Tore des Seiteneingangs in der Charlottenstrasse schaffte, dass er längst gegangen wäre, wenn die Atmosphäre nicht so berührend sei. Um den kalten Wetter zu trotzen, wurde von den Organisatoren die Gulaschkanone vorgefahren und heißer Kaffee herumgereicht. Dabei tauschte man sich über seine Arbeiten aus: Ein Meisterschüler von der Kunsthochschule Weißensee erläuterte sein Gemälde aus Ästen und pigmentieren Filz; ein Pensionär berichtete von seiner Dokumentarfotografie, die sich mit der heutigen Situation europäischer Juden beschäftige; eine andere Künstlerin, die alles außer Kunst studiert hat, sagte, dass ihr das offene Ausstellungskonzept gefällt, da sie sich in ihrer Malerei mit Demokratie beschäftige.

Eine zweite Ausstellung Ende April

Die Vorgabe der Veranstalter – nur zweidimensionale Objekte zu zeigen – führte dazu, dass ein breites Sortiment an Flachware in Luftpolsterfolie und Decken antransportiert wurde. Viele Teilnehmer brachten Großformate, um in der schieren Menge wahrgenommen zu werden. Gewiefte organisierten sich in Gruppen, natürlich auch um die Wartezeit zu umgehen. So kam es alle 30 Meter zu kleinen Bildersammelstellen, die dann von einer Person betreut wurden – bis sich die Kollegen in umliegenden Cafés aufgewärmt hatten.

Andere Teilnehmer luden ihre sperrigen Arbeiten direkt vor dem Eingangsbereich in der Charlottenstraße ab, so dass sich bereits vor der Halle eine Galeriesituation ergab - so könnte am Montag die 24-Stunden-Ausstellung  aussehen. Die Frage nach der Schau beschäftigte auch die diplomierte Künstlerin Martina. Ihr gefalle besonders das Konzept des gemeinsamen Ausstellens und sie sei gespannt, wie René Block die vielen verschiedenen Arbeiten zusammenstellt. An Ort und Stelle war auch Friedhelm Hütte, Leiter der Kunstsammlung. Nicht ganz ohne Stolz verkündete er, dass es eine revolutionäre Ausstellung sei. Denn nach der ersten Hochrechnung am Freitagnachmittag wurden über 1000 Bilder eingereicht – bis zum Ende der Aktion am Sonntag waren es sogar über 2000.

Hütte erklärte, allein die erste Ausstellung am Montag würde um die 350 Arbeiten umfassen. Wegen des unglaublichen Ansturms plane man eine zweite Ausstellung während des Gallery Weekends Ende April in der Alten Münze. Bis dahin würden alle Arbeiten inventarisiert und bei einer Kunstspedition eingelagert werden.

"Macht Kunst", Teil eins, ist ab 8. April um 12 Uhr für 24 Stunden in der Deutschen Bank Kunsthalle zu sehen. Eine Bildstrecke zur Aktion finden Sie hier.
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