Zensur auf Instagram

Was heißt hier "unangemessene Bilder"?

Behaarte Frauenbeine, Blut im Höschen, nackte Haut: Instagram löscht, was gegen die so genannten Community Guidelines verstößt. Die Künstlerinnen Molly Soda und Arvida Byström haben von Instagram zensierte Bilder gesammelt - und in einem Buch veröffentlicht

Der Feminismus hat es nicht leicht. Seit er sich wunderbar als Marketing-Strategie eignet, weiß niemand mehr so genau, was er eigentlich noch transportiert außer Gemüse im Jutebeutel vom Supermarkt nach Hause. Wollten Feministinnen einst nicht Feministin genannt werden, weil sie Haare an den Beinen und unter den Achseln nicht mögen, weil sie Blow Jobs und Männer generell ganz gut finden und außerdem gern High Heels tragen, zieht man sich heute einfach einen Oma-Schlüpfer oder ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Feminist" an oder trägt einen Jutebeutel mit der Aufschrift "This is What a Feminist Looks Like" bei sich, um dazuzugehören. Wozu? Das weiß man oft nicht. Aber gut sieht es jedenfalls aus, zumindest auf Facebook, Tumblr und Instagram.

Dass der Feminismus trendet, finden Feministinnen nicht allzu erfreulich, deren Tätigkeit und nicht ein T-Shirt-Aufdruck sie zur Feministin macht. Jessa Crispin und Andi Zeisler haben zu diesem Thema gerade Bücher veröffentlicht. Ihre Beschwerden formulieren sie schon im Titel. "Wir waren doch mal Feministinnen. Vom Riot Grrrl zum Covergirl. Der Ausverkauf einer politischen Bewegung", heißt es bei Andi Zeisler vorwurfsvoll. Jessa Crispin hat ein 150-seitiges Manifest vorgelegt, in dem sie begründet, warum sie keine Feministin ist. Beide kritisieren den Markt- und den Lifestylefeminismus. Andi Zeisler gibt zu, dass es in der Theorie nicht schlecht ist, wenn sich jede*r vom Feminismus angesprochen fühlt, wäre da nicht die Praxis. Aber in der Praxis, schreibt sie, "besteht die Tendenz nur die attraktivsten Eigenschaften dieser vielschichtigen Bewegungen herauszustellen. Alle Themen, die weniger spektakulär oder zu komplex sind, werden unter den Teppich gekehrt, und es wird suggeriert, wir kämen garantiert auf sie zurück, wenn erst mal alle im Boot sind." Was eher nicht passieren wird, so ihre Prognose.

Das alles muss man wissen, um zu verstehen, warum Molly Soda und Arvida Byström, zwei Künstlerinnen, die dem Netzfeminismus zugerechnet werden, im Vorwort zu ihrem Buch "Pics or It Didn't Happen" sehr deutlich formulieren, dass es sich nicht um eine Anleitung zum Thema Feminismus handelt. "Posting a nude selfie or not posting any selfies at all, does not determine whether you are a feminist", schreiben sie. Logisch, warum sollte das auch anders sein? Die beiden jedenfalls haben das Gefühl, sie müssten Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die sagen, ja, aber was haben denn bitteschön Selfies mit Feminismus zu tun? Jetzt muss man noch etwas wissen. Nämlich, dass die Amerikanerin Molly Soda und die Schwedin Arvida Byström bevorzugt Selfies posten. Manche werden von Instagram zensiert, weil sie nicht einfach irgendwelche Selfies posten. Meist ist etwas im Bild, das die Nutzer von Instagram stört und gegen die so genannten Community Guidelines verstößt. Zum Beispiel: Haare, Blut, Nippel, Genitalien.

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Vor etwas über einem Jahr haben die beiden aus Frustration einen Open Call online gestellt und um Zusendungen von Fotos gebeten, die von Instagram gelöscht wurden.

 

Denn wie ihnen geht es allen, vor allem Frauen, die zu viel Haut zeigen und Haare und Blut an den falschen Stellen. Beziehungsweise zu viel Haut ist nicht einmal ein Problem, nur in Kombination mit Haaren im Intimbereich oder Körperflüssigkeiten oder etwas, das aussieht wie Körperflüssigkeiten, aber eigentlich Duschgel ist.

Jetzt erscheint bei Prestel das Buch mit der Sammlung von zensierten Bildern. Es ist kein Buch, das sich gegen Zensur richtet, stellen die beiden Herausgeberinnen im Vorwort klar. Es ist außerdem kein Buch von Menschen, die einfach tun wollen dürfen, was sie möchten. Sondern: "To put it simply, this book consits of photos taken by people with a range of conflicting views but one thing in common: they have all had their photos taken down from Instagram due to the platform's Community Guidelines." Und weil Molly Soda und Arvida Byström auf Instagram ihre eigene Community haben, an die sie sich mit ihrem Open Call gerichtet haben, ist es natürlich auch kein Buch, das einen Überblick gibt über die Inhalte, die Instagram zensiert.

Als ich den Open Call damals bei Arvida Byström auf Instagram gesehen hatte, habe ich mich gefragt, welche Bilder wohl gedruckt werden. Jetzt, beim Durchblättern des Buches, ist das Ergebnis wenig überraschend, und ich wundere mich über mich selbst, aber nicht über Instagram oder Community Guidelines. Denn die kennt man nach sechs Jahren Instagram nur zu gut. Beziehungsweise, man weiß nur zu gut, was die Community auf Instagram nicht sehen möchte und an Inhalten meldet, die bitteschön schnellstmöglichst von der Plattform entfernt werden sollen. Wer sich selbst, wie Molly Soda auf dem Klo sitzend fotografiert, rechnet damit, dass das Bild nicht lange online ist. Wer Menstruationsblut zeigt, weiß, dass blutverschmierte Höschen zwischen Avocado-Toast und veganem Irgendwas nicht gern gesehen sind und umgehend gelöscht werden. Wen Haare an Frauenbeinen nicht stören, der möchte vielleicht die Toleranz der eigenen Follower auf die Probe stellen. Und so sehen all die Fotos im Buch aus, als wäre man auf Zensur aus gewesen. Die Inhalte sind berechenbar, ein bisschen Porn, ein bisschen Ekel, die Ästhetik ist berechenbar, viel Pink, viel Pastell.

Und dann ist da natürlich noch die Frage: Muss man Instagram tatsächlich ausdrucken? In diesem Fall ja, denn die Bilder sind nicht mehr auf Instagram zu finden, deshalb müssen sie woanders archiviert werden. So auch die beiden Herausgeberinnen des Buches. Eines Tages wird es Instagram gar nicht mehr geben, dann sind alle Inhalte weg. Deshalb ist es gut, dass es dieses Buch gibt. Vielleicht wundert man sich eines Tages, warum man sich im Jahr 2017 noch an Haaren im Intimbereich störte oder an Frauen, die nicht spindeldürr sind, obwohl der Feminismus doch allgegenwärtig war. Der Feminismus hat es nicht leicht.