Bei der Kopenhagener Modewoche sah man viele unterschiedliche Trends: Häkelkappen, Keilabsätze, Spitzenröcke. Aber auch: runde Bäuche. Gerade deutsche Influencerinnen setzten ihren Babybauch in Szene. Kurze Bralettes, offene Lederjacken, aufspringende Cardigans. Die Outfits ähnelten denen der nicht Schwangeren sehr – nirgendwo Sackartiges, Versteckendes. Die glatte Kugel verlieh den Looks fast etwas Avantgardistisches.
Schwangerschaftsmode hat sich in den letzten Jahren in eine eigene, ernstzunehmende Kategorie verwandelt. Nicht zuletzt durch Superstar Rihanna, die ihren sich verändernden Körper von Anfang an als ein modisches Kunstwerk inszenierte, das ihre Körpermitte zum Stilzentrum erklärte.
Seit 2022 präsentiert die Sängerin und Designerin ikonische Outfits, die nichts mit sogenannter Umstandsmode zu tun haben. Sie verkündete ihre erste Schwangerschaft in einem pinken Vintage-Chanel-Daunenmantel, der sich über ihrem runden Bauch wie ein Vorhang teilte. Die zweite wurde dann in einem roten Loewe-Jumpsuit präsentiert, den sie während ihres Auftritts beim Superbowl 2023 trug. Ihren dritten Babybauch führte Rihanna erstmals bei der diesjährigen Met-Gala in einem Marc-Jacobs-Look aus.
Warum züchtig und zurückhaltend?
Ihr Stylist Jahleel Weaver steckte den Popstar zuletzt in ein Kleid aus der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2001 von Issey Miyake, gefertigt aus halbtransparenten Plisseefalten in einem rosa-neongelben Farbverlauf. Der Brustbereich schien wie aufgeblasen und mit bunten Blütenblättern gefüllt. Sie kombinierte das Statement-Teil mit neongrün-silbernen Ottolinger X Puma Mostro-Sneakern, einem Rosenring und silbernen Ohrsteckern in Blumenform.
Der 2022 verstorbene Designer Miyake betrachtete den menschlichen Körper als etwas Fluides und dachte gerade in seiner "Pleats Please"-Linie auch aus der Norm fallende Figuren mit. Für das Kleid erntete Rihanna neben Lob auch Kritik - zu außerirdisch, zu absurd wirkte das Design auf Außenstehende.
Aber warum sollen sich ausgerechnet Schwangere mit neutralem Jersey und formlosen Gewändern zufriedengeben? Ist das nicht ein weiterer einengender, patriarchaler Gedanke, der ihnen eine gewisse Züchtigkeit und Zurückhaltung auferlegt? Das heilige Baby und die Mutter, die es leise austrägt und mit ihrem großen Bauch am besten niemandem in die Quere oder ins Sichtfeld kommt?
Über Jahrhunderte war Umstandsmode vor allem darauf bedacht, den Bauch unsichtbar zu machen - von den weiten Gewändern des Mittelalters über die barocke "Adrienne" bis hin zu den speziellen Schwangerschaftskorsetts des 19. Jahrhunderts, die in der viktorianischen Epoche den Körper einschnürten und den wachsenden Bauch verschwinden lassen sollten. Auch die Kleidung der 1920er-Jahre folgte noch dieser Logik, wenn auch mit lockeren Silhouetten und tiefer sitzenden Taillen, die das Kaschieren erleichterten.
Später im 20. Jahrhundert setzte schließlich ein neues Verständnis ein: Zum ersten Mal wurde betont, dass Kleidung für werdende Mütter nicht nur funktional sein müsse, sondern auch schön. Dieser Gedanke war ausschlaggebend - Schwangerschaften mussten nicht länger verborgen bleiben, sondern konnten allmählich auch in der Mode gewürdigt werden.
Viele Frauen tragen heute ihre gewohnte Kleidung weiter, nur eben einige Größen größer, oder sie setzen sie anders ein. Sind wir vielleicht endlich an dem Punkt angelangt, an dem Schwangere sich in der Selbstverständlichkeit kleiden dürfen, die ihnen offensichtlich zusteht?
Babybauch als temporäres Accessoire
"Ich hoffe, dass wir neu definieren konnten, was für schwangere Frauen als 'anständig' gilt. Mein Körper leistet gerade Unglaubliches, und ich werde mich dafür nicht schämen. Diese Zeit sollte sich feierlich anfühlen. Denn warum solltest du deine Schwangerschaft verstecken?", sagte Rihanna nach der Ankündigung ihrer ersten Schwangerschaft zu Chioma Nnadi, der heutigen Chefredakteurin der Britischen "Vogue". Sie traf einen Nerv, wie wir heute wissen.
Viele weitere prominente werdende Mütter (Margot Robbie, Hailey Bieber, Sofia Richie) taten es ihr gleich, und mit ihnen auch die nicht so berühmten. Während etwa das "Vanity Fair"-Cover der nackten schwangeren Demi Moore von Annie Leibovitz 1991 noch für Furore sorgte, gilt ein Babybauch heute als eine Art temporäres Accessoire.
In ihrem beliebten Substack-Newsletter "Hotel Amore Inc" schrieb die vor Kurzem noch schwangere Kreativstrategin und Art Direktorin Louisa Kirk-Duncan: "Zu meiner eigenen Überraschung bin ich plötzlich zur Bauchblitzerin geworden, was ich sonst überhaupt nicht bin, und habe meinen Körper in dieser Phase wirklich gern gehabt. Bis zum Ende der Schwangerschaft habe ich fast jeden Tag bauchfrei getragen - ich fand, das sah besser aus als Oversized-Kleidung. Darin sieht man schnell aus wie Spongebob."
Mode wird um den Bauch gebaut
Am Ende ihrer Schwangerschaft, sagt Kirk-Duncan im Gespräch, sei sie bei einem Mode-Event während der Berlin Art Week durch die ganze Stadt gelaufen und habe dabei eine komplett bauchfreie Miu-Miu-Jacke getragen – "ohne Schwangerschaft hätte ich die glaube ich nicht angezogen." Meistens habe sie enge Hosen, Shirts und kurze, kastenförmige Jacken kombiniert - eine einzige schmale Hose hat sie sich extra zugelegt. "Ich habe mich in meiner Haut noch nie so wohlgefühlt wie im zweiten Trimester meiner Schwangerschaft", erzählt Louisa Kirk-Duncan. Also wieso nicht genau das zeigen?
Diese Entwicklung kann durchaus als Selbstermächtigung verstanden werden. Gleichzeitig müssen Frauen nicht auch noch während ihrer Schwangerschaft modisch überperfomen, wenn sie sich nicht danach fühlen - es ist ihnen freigestellt. Genau wie sie im Idealfall selbst entscheiden, ob sie ein Kind bekommen möchten oder nicht, bestimmen sie auch, wie und worin sie ihr Leben mit Babybauch führen möchten; egal ob Spitze, Netz, Baumwolle oder Leder.
Mode muss in der Schwangerschaft nicht aufhören, sie wird um den Bauch gebaut, versteht ihn als einen weiteren Bestandteil des textilen Spiels. In einigen Bereichen wirkt die Fashion-Branche, angepasst an das politische Klima, gerade rückschrittlich. In der Schwangerschaftsmode ganz sicher nicht.